Von Kerstin Völling

Glinde.
Noch im Januar hatte die SPD darauf gedrängt, den Jugendtreff in der ehemaligen Kneipe Jever Deel möglichst schnell zu realisieren. Bei der Abstimmung über den Nachtragshaushalt im jüngsten Finanzausschuss hatte es sich nun ein Sozialdemokrat anders überlegt: der Ausschussvorsitzende und Fraktionschef Bernd Wersel. Bei der Verpflichtungsermächtigung zur Freigabe der Summe für Umbau und Sanierung der Jever Deel enthielt er sich.

Und das bedeutete: Mit fünf Jastimmen (SPD/Grüne), fünf Neinstimmen (CDU) und bei Wersels Enthaltung wurde der Umgestaltung der Jever Deel nun doch keine Dringlichkeit mehr eingeräumt. Der neue Jugendtreff auf dem Gelände des Schulzentrums und die Sanierung der Sporthallen sind somit vorerst auf Eis gelegt. Denn auch dafür verweigerte Wersel seine Stimme.

Während seine Fraktionskollegen keineswegs überrascht waren, verstanden CDU und die Grünen die Welt nicht mehr. Wersel versuchte sich zu rechtfertigen: "Unser Haushalt kann sich zwar sehen lassen. Aber die Kosten für Kredite sind gestiegen. Wir müssen rund eine Million Euro investieren, also rund 250 000 Euro mehr als in den Vorjahren." Für Glinde sei das enorm. Als Sozialdemokrat begrüße er zudem zwar die Tarifabschlüsse in den Erziehungsberufen. "Als Vorsitzender des Finanzausschusses finde ich sie aber schrecklich, weil sie unsere Kassen strapazieren werden", sagte er. Darüber hinaus verursache der Umbau der Gemeinschaftsschule Wiesenfeld Kosten in Höhe von 1,4 Millionen Euro. Die Kreisumlage werde voraussichtlich um drei Prozent erhöht, und mehrere Gewerbesteuerzahler hätten Glinde verlassen. "Wir müssen aufpassen, dass unsere Stadt sich nicht finanziell überhebt", so Wersel. "Im Moment sehe ich niemanden, der in Glinde investieren will." Außerdem habe ihn der Börsen-Crash in China erschreckt: "Das kann sich auch immens auf unsere Stadt auswirken."

Die Grünen schüttelten den Kopf: "Glinde steht im Vergleich zu anderen Städten doch bestens da. Wir haben doch keine Kristallkugel und können behaupten, dass der Crash in China sich hier irgendwie auswirkt", sagte Thorsten Kalkbrenner.

Grunnar Bröker (CDU) warf der SPD vor, in der Vergangenheit alles torpediert zu haben, was Geld in die Kasse gespült hätte: "Als wir vorgeschlagen haben, die Grabpflege in private Hände zu geben, haben Sie das systematisch abgewürgt." Seine Fraktionskollegen Bernd Hengst und Rainer Neumann begrüßten Wersels Sinneswandel allerdings: "Das liegt ja genau auf CDU-Linie", sagte Neumann.

Zu Beginn der Sitzung hatte die Verwaltung zwei Dringlichkeitsanträge vorgelegt, die sie noch vor der Abstimmung zum Nachtragsetat nicht öffentlich verhandelt sehen wollte. Daraufhin wurde der neue Punkt "Vertrags- und Darlehensangelegenheiten" aufgenommen. Hinter verschlossenen Türen diskutierten die Politiker 45 Minuten lang über die Umschuldung von Krediten. Danach wurde das Plus aus dem Ergebnishaushalt (192 000 Euro) zu einem Minus von 368 200 Euro. Denn die Umschuldung kostet Glinde vorab im laufenden Jahr einige Hunderttausend Euro, bevor es eine Ersparnis gibt, die sich auf mehrere Jahre verteilt.

"Das liegt ja genau auf CDU-Linie." Rainer Neumann, CDU-Fraktionschef, zu Bernd Wersels Sinneswandel