Von Barbara Moszczynski

Glinde.
Als Gerald Ouzon nach Deutschland kam, war er gut vorbereitet. Seine Familie im syrischen Latakia schickte ihn vorab zum dreimonatigen Deutschkursus ans Goethe-Institut im Libanon. In Hamburg folgten ein Studienkolleg und ein Praktikum, erst danach durfte er Informatik studieren. Heute hilft Ouzon, den sie unter seinem syrischen Vornamen "Jalal" kennen, Menschen, die völlig unvorbereitet nach Glinde geflüchtet sind und alles verloren haben.

"Ich helfe, wo ich kann", sagt der Glinder, den auch die ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer in Barsbüttel, Oststeinbek und Reinbek schätzen. Für die Gemeinde Barsbüttel, wo er 37 Jahre lebte, hat er einen "Wegweiser für Asylsuchende" ins Arabische übertragen. Kürzlich begleitete er sonntags einen Syrer ins St. Adolf-Stift, um zwischen Patient und Ärzten zu vermitteln. Vor allem aber engagiert er sich in Glinde.

In der St.-Johannes-Kirche stellte ihm Pastor Thomas Deter einen Raum für Deutschkurse zur Verfügung. Viermal die Woche unterrichtete er hier nachmittags Syrer, Kurden, Iraker, Afghanen und Perser aus dem Flüchtlingsheim gegenüber. Dass er auf Arabisch erklären kann, beschleunigt den Lernerfolg seiner Schüler. Nach den Sommerferien soll es weitergehen, wenn wieder neue Flüchtlinge angekommen sind.

Die Glinder Ehrenamtlichen - es gibt auch vormittags Sprachkurse - füllen mit ihrem Angebot die Wartezeit, bis über den Asylantrag entschieden ist. "Die Leute warten bis zu zehn Monate auf einen Bescheid, und offizielle Sprachkurse gibt es erst, nachdem sie eine Duldung erhalten haben", sagt Ouzon. In Dänemark gebe es schon in der Erstaufnahmeeinrichtung Dänischkurse, deren Besuch Pflicht ist. Kommen die Flüchtlinge ihr nicht nach, wird ihnen die Unterstützung gekürzt. "Die Dänen sind viel weiter als wir", meint er.

Bis zur Duldung müssen Erkrankte erst zum Amt, um sich einen Krankenschein zu holen, und dann zum Arzt. Oft geht der 70-Jährige dann mit. Seine Schützlinge bekommen auch viele Behördenschreiben, obwohl sie die noch nicht lesen können. "ARD und ZDF haben gleich ihre GEZ-Gebührenbescheide geschickt", ärgert er sich. Erst als Ouzon dort anrief, wurde die Zahlungsaufforderung ausgesetzt. Er kann auch nicht verstehen, warum Banken den Flüchtlingen das Girokonto mit den höchsten Gebühren verkaufen. "Die müssen nur Geld abheben und mit Karte bezahlen können. Ich musste vielen helfen, ihre Verträge rückgängig zu machen."

Seine Nichte führt in London Anhörungen, die darüber entscheiden, ob Flüchtlinge Asyl bekommen. "Sie macht das per Bildschirmkamera am Computer. Hier kommen die Menschen aus Neumünster erst hierher für das Interview und müssen dann wieder zurückfahren. Das wäre doch günstiger per Computer."

Doch es gibt auch viel Positives: "Die Menschen sind so dankbar, dass sie hier sein dürfen. Wenn sie uns zum Essen in ihre Unterkunft einladen, sind die Tische übervoll", berichtet seine Frau Annegret, "das ist so beschämend." Beide versuchen, die Schicksale der Flüchtlinge nicht zu nahe an sich heranzulassen. Doch das ist oft schwer. "Einer hat sich die Fingerkuppen verbrannt, damit er nicht in Ungarn registriert und zurückgeschickt werden konnte, er wollte nach Deutschland", erzählt Ouzon und fragt: "Wie verzweifelt müssen Menschen sein, die so etwas tun?"

Angefangen hat Ouzons Einsatz als ehrenamtlicher Sprachlehrer 1995 mit einer "Arabisch AG" am Gymnasium seines Sohnes. Seit vier Jahren leben der frühere EDV-Fachmann, der bis zur Rente für einen Bergedorfer Datendienstleister arbeitete, und seine Frau auf 56 Quadratmetern in Glinde. Das Haus in Barsbüttel wurde zu groß, als die zwei Söhne auszogen. Seinen Neffen, dessen Frau und die vier Kinder, die nach Deutschland fliehen wollten, könnten die beiden Rentner hier nicht unterbringen. Herholen dürfte er ihn ohnehin nicht, das geht nur für Verwandte ersten Grades.