Von Susanne Tamm

Willinghusen.
Der Turnschuh hat schon einiges mitgemacht, ganz klar: Die Gummieinfassung der Sohle ist eingerissen, der Stoff an der Ferse hat sich mit seinen Falten bereits dem Fuß des Besitzers angepasst, und am Schnürsenkel hängen lose Fäden. Das Bild von dem "Converse-Sneaker" ist ein wahres Porträt geworden: Denn all diese charakteristischen, feinen Details hat Maciej Macura in einer großartigen Zeichnung festgehalten.

Der 26-Jährige hat sich für die Kunst entschieden. "Ich weiß jetzt, dass ich auch noch mit 40 oder 60 Jahren zeichnen und malen will", sagt der junge Mann. Seit etwa einem Jahr zeigt und verkauft er seine Werke mit Erfolg über soziale Netzwerke im Internet: Instagram, Facebook oder YouTube. Die Fragen seiner Fans reichen von "Kann ich das haben?" bis zu detaillierten Materialfragen.

Dabei ist der Künstler bisher Autodidakt. "Ich hatte zwar auch in der Schule nie schlechte Noten im Fach Kunst. Bis ich 15 Jahre alt war, war mir aber nie klar, dass das mein Ding ist", erzählt er. Doch dann freundete er sich mit einer Mitschülerin an, die sehr gut zeichnen konnte. "Ich war fasziniert davon, wie sie Menschen und Dinge realistisch darstellen konnte. Das wollte ich auch", erklärt Maciej Macura. Der Ehrgeiz hatte ihn gepackt. Er kaufte sich zwei Lehrbücher und schraffierte, strichelte und tuschte stundenlang. Seitdem hat er etwa 1000 Zeichnungen und Gemälde geschaffen. "Nicht alle sind etwas geworden", stellt er klar. "Aber ich habe nie aufgegeben." Nun gibt der Erfolg ihm recht. Vielleicht will er aber doch noch Kunst studieren.

"Meine Motive suche ich nicht aktiv", erläutert Macura. "Sie tauchen eher auf wie Gedanken." Er liest viel, vor allem Sachbücher über Philosophie oder Ratgeber. Vor seinem inneren Auge setzt er die Motive sofort in Schwarz-Weiß um. Dann beginnt er, nach Fotos zu zeichnen. "Die Umrisse aufs Blatt zu setzen - das vereinfache ich mir gern mit einem Gitternetz. Am liebsten hätte ich dafür einen Beamer." Denn seine wahre Leidenschaft sei das konzentrierte Herausarbeiten der Plastizität mit dem dünnen Strich seines Fineliners. Seine kurzen Film-Clips auf YouTube oder Instagram trügen: Für seine großformatigen Zeichnungen braucht er 60 bis 70 Stunden, für die Aquarelle bis zu sieben Stunden.

Ununterbrochen zehn Stunden zeichnen kann auch Maciej Macura nicht. Zwischendurch steht er auf und macht kurze Pausen. Urlaub aber braucht er nicht. Für sein nächstes Projekt, "100 Porträts in 100 Tagen", plant er, Hamburger dazu aufzurufen, sich von ihm fotografieren zu lassen. Aus den Fotos will er 100 verschiedene Gesichter auswählen und sie mit schwarzer Tusche an 100 aufeinanderfolgenden Tagen porträtieren. "Das ist für mich wie Urlaub, das ziehe ich durch", sagt er. Ein Spaziergang reiche ihm als Erholung. Im September ist er jetzt in den Kunstunterricht einiger Schulen der Umgebung, unter anderem am Gymnasium Bornbrook, eingeladen, um über seine Kunst zu berichten. "Es ergibt sich immer wieder etwas Neues", stellt er fest. Noch kann er von seiner Kunst nicht leben. Das ist das Ziel. Man glaubt ihm sofort, dass er es schaffen wird.