Von Susanne Tamm

Glinde.
Kinderarbeit ist gewöhnlich verpönt. Anders in der neuen Kinderstadt in der Spinosa, die gestern von 20 Bürgern im Alter von neun bis 13 Jahren bezogen wurde. Nachdem die kleinen Siedler am Vormittag in der Halle für ihre Familien vier geräumige Papphäuser gebaut hatten, ging es nach der ersten Versammlung aufs Arbeitsamt.

"Darf man auch Babysitter sein?", wollte Chantal wissen. Doch dafür gab es keine freie Stelle. "Du kannst dich morgen selbstständig machen", tröstete sie Lutz Pickardt, Arbeitsamtsleiter, Spielleiter und Theaterpädagoge in Personalunion. Am ersten Tag mussten die Kinder zunächst nötige Waren produzieren und Geld verdienen, in der Währung der noch unbenannten Stadt "Glifis" genannt. Zur Auswahl standen die Möbeltischlerei, Kräutersalzküche, Gärtnerei und Geldbeutel in der Lederwerkstatt.

Als Gärtner Cassian (9) die Unkrautwüste sah, die er für ein Beet beseitigen sollte, schmollte er und sagte: "Dafür will ich jetzt aber das Doppelte haben!" Doch er wurde von seinen älteren Kollegen gleich zurechtgestutzt: "Dafür kriegst Du doch jetzt nicht das Doppelte! Das ist jetzt Deine Arbeit. Los!" Alle packten gemeinsam mit an und bewältigten den kleinen Dschungel.

Anik (10) hingegen schlug zuerst zaghaft und dann mit wachsender Begeisterung ihre ersten Nägel in zwei Holzbretter hinein. Der Erzieher Dieter Busse-Trox half ihr dabei. "Mach dir keinen Kopf um meine Finger! Schlag zu!", feuerte er sie an und zeigte ihr, wie sie den Hammer halten muss. "Wenn du den Finger so oben hältst, fließt deine ganze Kraft in den Schlag - hat mir mal ein Zimmermann erzählt." So zimmerte die Zehnjährigen ihren ersten Stuhl zusammen. Mit den ersten konnten die Kinder ihre Papphäuser möblieren. "Man muss sich schließlich auch mal setzen können", sagte Busse-Trox. "Das ist doch sonst unmenschlich."

Auch ein Begrüßungsgeld in Höhe von zwei Glifis bekamen die kleinen Bürger. Davon mussten sie allerdings auch das Material für die Häuser und das Essen zahlen. "Die Kinder lernen aber nicht nur, wie der gesamte Geldverkehr läuft, sondern auch, wie eine Gemeinschaft überhaupt funktioniert: gemeinsam Konflikte lösen und Ziele erreichen. Sie proben den Ernst des Lebens - aber mit viel Spaß." Die Betreuer aus dem Spinosa-Team um Carsten Helms würden nur Spielimpulse geben, wenn sich die Kinder langweilen.

Heute haben sie eine Menge vor: Sie beschließen den Namen ihrer Stadt, führen den Bürgermeisterwahlkampf, wählen den Bürgermeister noch am selben Abend und verkaufen erstmals ihre Waren auf dem Markt. Zu dem Markt sind am Freitag ab 15 Uhr auch Eltern, Großeltern sowie alle Freunde eingeladen, in die Spinosa, Schlehenweg 1 b, zu kommen.