Von Susanne Tamm

Glinde.
Das Stadtzentrum wird sich in den nächsten Jahren grundlegend verändern. Noch vor zwei Jahren hat der Friseur Ricardo Spiegel 20 000 Euro in seinen neuen Salon in dem dunkelroten, historischen kleinen Haus an der Ecke Oher Weg/ Avenue St. Sebastien gesteckt. Jetzt soll er weichen: Die einstige Gaststätte Filou soll 2016 abgerissen werden. Beim Wohnhaus gegenüber, in dem bis 2008 die muslimische Gemeinde zu Hause war, sollen noch dieses Jahr die Bagger anrollen.

Hier plant der Besitzer sieben Eigentumswohnungen. Das Mehrfamilienhaus soll über drei Etagen plus Staffelgeschoss und Tiefgarage verfügen. Eine Drei- und eine Vierzimmerwohnung (67 und 117 Quadratmeter) werden online als "Wohnung mit Wohlfühlpotenzial" für 217 500 bis 343 000 Euro angepriesen. Glindes Verwaltung möchte das Projekt nicht kommentieren. Die Politik schweigt sich ebenso aus. Nach Informationen der Redaktion ist das Vorhaben noch nicht genehmigt.

Auf dem Platz gegenüber steht seit 1900 noch eines von zwei baugleichen Deputathäusern für Arbeiter auf dem Gut Glinde. Dahinter finden sich zwei alte Ställe, wo sie eigenes Vieh halten konnten. Das Ensemble steht nicht unter Schutz.

Von 1983 bis 2008 führte Wolfgang Idzianek hier die Szenekneipe Filou, die sich in den 1980er-Jahren mit Live-Konzerten einen Namen machte. "Das war toll", erinnert sich der Glinder Songwriter und Komponist David James, der dort zwischen 1997 und 2004 fünf Auftritte hatte. "Das Publikum war direkt vor meiner Nase, die Atmosphäre klasse." Die Nachfolger hatten an diesem Standort mit Gastronomie nicht so viel Glück. 2011 gab der letzte Wirt auf. Friseur Ricardo Spiegel übernahm vor zwei Jahren.

Als alteingesessener Glinder bedauert er zwar den Abriss. Für sein Geschäft hat er jedoch Räume in besserer Lage gefunden: "Ich trete die Flucht nach vorn an, ziehe im September an den Markt 4 in das Sonnenstudio", erzählt er. "Dort können wir uns auf 179 Quadratmeter vergrößern. Ich werde eine Lounge einrichten, und wir werden Kosmetikbehandlungen anbieten."

Bürgervorsteher Rolf Budde, langjähriges Mitglied im Bauausschuss für die CDU, ist nicht begeistert von den aktuellen Plänen der Eigentümerin. Ein Architekt hat sie dem Gremium vorgestellt. "Das war ganz freiwillig, denn wir haben keinen Einfluss", sagt Budde. "Die Baugenehmigung ist bereits erteilt worden."

An der Stelle des roten Hauses plant das von der Eigentümerin beauftragte Architekturbüro ein fünfgeschossiges Mehrfamilienhaus mit Staffelgeschoss für bis zu 14 Wohnungen. Für das Erdgeschoss gibt es die Idee, dort Geschäfte zu bauen.

Budde bedauert besonders, dass in der Stadtmitte so in die Höhe gebaut werde. "Eigentlich wollten wir aus der Vergangenheit unsere Lehren ziehen. Wir Politiker müssen jetzt Augen und Ohren offenhalten, damit uns das nicht wieder passiert", sagt der Bürgervorsteher.

Bürgermeister Rainhard Zug sieht dies anders. Die gültigen B-Pläne ließen noch mehr Geschosse zu, zudem auch barrierefreies Bauen. "Die Frage ist doch: Wollen wir Stadt oder Dorf sein? Es ist einer der großen Vorteile der Stadt Glinde, dass wir im Zentrum den Wohnraum verdichten und in die Höhe bauen können." Schließlich wollten viele in Glindes City wohnen und die Infrastruktur nutzen.