Von Dörte Hoffmann und Louisa Rascher

Glinde.
Ein laut pfeifender Menschenpulk mit Fahnen und Bannern sorgte gestern Morgen für einen Verkehrsstau auf der K 80. Mehr als 150 Mitarbeiter von Federal Mogul Motorparts - früher einmal Jurid - hatten sich vor den Fabriktoren versammelt, um zu demonstrieren. Denn seit die Nachfolger von Honeywell das Sagen in dem Produktionsbetrieb für Bremsbeläge haben, muss gespart werden. Das soll jetzt offenbar auf dem Rücken der Schichtarbeiter ausgetragen werden.

Man müsse in Glinde in den kommenden Jahren zweistellige Millionenbeträge einkürzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, hieß es nach Angaben der Mitarbeiter von Seiten der Geschäftsführung. Auch betriebsbedingte Kündigungen könnten demnach nicht ausgeschlossen werden. Um dies zu verhindern, wolle man nun die Bruttolöhne um 25 Prozent, in absoluten Zahlen bis zu 630 Euro monatlich, kürzen. Dies betreffe rund 650 Mitarbeiter in der Fertigung, heißt es vom Betriebsrat. Nicht nur, um gegen Lohneinbußen zu protestieren marschierten die Mitarbeiter gestern vom Firmengelände bis über die K 80. Sie fürchten noch weit Schlimmeres.

"Wir laufen hier für unsere Zukunft", sagte Ömer Güngör (51). Der Familienvater hatte genauso wie seine Kollegen für die Demo seine Freizeit geopfert. Henrike Rauber von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie, die rote Schirmmützen und Tröten verteilte, sagte: "Wir wehren uns dagegen, dass die Geschäftführung Einsparungen zu Lasten der Mitarbeiter vornehmen will." Überhaupt sei der Standort in Glinde für die Zukunft nicht gesichert. Solidarität zeigte Britta Schaubs. Die Angestellte ist bislang nicht von den Kürzungen betroffen, ging dennoch Seite an Seite mit ihren Kollegen auf die Straße. "Es wäre doch nur gerecht, wenn Einsparungen auf alle Schultern verteilt werden." Aber wahrscheinlich seien die Angestellten ohnehin als nächste dran, befürchtet Schaubs.

Am Glinder Standort des Weltkonzerns arbeiten 920 Mitarbeiter und Angestellte. Energieanlagen-Elektroniker Sascha Mühring (35) hat in Glinde gelernt, als das Bremsbelag-Unternehmen noch Allied Signal hieß. "Wer weiß, was die da oben noch alles planen", sagte er gestern missmutig. Industrie-Mechaniker Marco Rudolf (30) pflichtete ihm bei.

Bereits in der vergangenen Woche waren die Mitarbeiter auf die Straße gegangen. Der Betriebsrat befürchtet eine Art Erpressungsversuch des Konzerns. Geplant sei, über den Lohn hinaus erbrachte Arbeitsleistungen künftig nicht mehr zu vergüten. Mit denen hätten die gewerblichen Mitarbeiter aber gerechnet. Gleichzeitig sollen eben diese Leistungen weiter gefordert und auf weniger Schultern verteilt werden. Mit der Androhung die Löhne drastisch zu kürzen, fühlt sich der Betriebsrat dazu gedrängt, anstehende Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen abzunicken.

Die Geschäftsleitung stand der Belegschaft gestern in einer Betriebsversammlung Rede und Antwort - und flüchtete sich nach Meinung von Mitarbeitern in allgemeine Phrasen. Die Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Chefetage sollen Anfang Juni beginnen. Die Geschäftsleitung war für eine Stellungnahme gestern nicht zu erreichen.