Von Kerstin Völling

Glinde.
Als Gönke Witt am Sonnabendmorgen den Stand von Bündnis 90/Die Grünen in der Marktpassage aufbaute, wurde sie schon ungeduldig erwartet. "Ich will unbedingt unterschreiben", sagte ein Glinder. Gemeint war die Unterschriftenliste gegen TTIP, das Freihandelsabkommen, das gerade zwischen der Europäischen Kommission und Wirtschaftsbeauftragten der USA ausgehandelt wird.

"Mit so einem starken Interesse hatte ich nicht gerechnet", sagte Witt erfreut. Sie hat die Glinder Beteiligung an dem weltweiten Protesttag angeregt, zu dem Globalisierungsgegner wie das Netzwerk Attac aufgerufen hatten. Die TTIP-Gegner kritisieren mangelnde Transparenz der Verhandlungen und befürchten die Absenkung von Standards im Verbraucher- und Umweltschutz sowie auf dem sozialen Sektor. "Was bisher durchgesickert ist, lässt nichts Gutes ahnen", sagte Witt. An ein neues "Job-Wunder" glaube sie nicht: "Kommt TTIP, wird der Arbeitnehmerschutz noch mehr gelockert. Zudem weiß dann niemand mehr, was in unseren Lebensmitteln drin ist." Darüber hinaus wolle sie öffentliche Verhandlungen. "Wir wissen doch nicht, welche Veränderungen auf uns zukommen."

Zusammen mit Martin Rusche sprach sie Leute in der Passage an. Viele zeigten Interesse. "Ich habe grundsätzlich nichts gegen das Abkommen", sagte Wolfgang Ecker. "Aber dass Unternehmen später Staaten verklagen können, nur weil ihnen durch bestehende Gesetze vielleicht Gewinne entgehen, sehe ich kritisch." Ingrid Hehl klinkte sich angeregt diskutierend in eine der vielen kleinen Gruppen ein. "Ehrlich gesagt, weiß ich noch zu wenig über TTIP", sagte die Betriebsrätin (59). Sie habe zwar gehört, dass durch TTIP auch nicht öffentliche Schiedsgerichte zwischen Staaten und Unternehmen eingerichtet werden sollen. "Bevor ich unterzeichne, möchte ich aber mehr Information", erklärte sie.

"Klar, unterschreibe ich", sagte hingegen Mandy Staek (35) aus Glinde. Ihre Familie ernähre sich gesundheitsbewusst. "Aber bei TTIP weiß doch niemand genau, wer am Verhandlungstisch sitzt", erläuterte sie. "Ich fürchte, dass Unternehmer aus Profitgründen die hohen Standards, die wir in Deutschland in der Lebensmittelkontrolle haben, einfach fallen lassen wollen." Ähnlich argumentierte Katrin Kowitzki mit Sohn Jenrik (1) im Schlepptau. "Wir kaufen nur Bioprodukte und versuchen, regionale Anbieter zu bevorzugen." Wenn TTIP käme, dann würde es noch schwerer, die Qualität der Lebensmittel zu beurteilen. "Vom Chlorhühnchen haben alle schon gehört. Aber ich fürchte, dass uns noch weitaus mehr minderwertige Ware angeboten würde."

Gönke Witt war nach drei Stunden sehr zufrieden: "Wir konnten 67 Unterschriften sammeln", sagt sie. Erschreckend: Viele hätten noch nie von TTIP gehört. Die Liste sendet sie nun an die Beteiligungsplattform Campact, die sie an EU-Handelskommissar Karel De Gucht und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz weiterschickt. Ziel: ein Verhandlungsstopp.