Graffiti: Hochhausbewohner lassen Stromkasten besprühen

"Wir haben immer sehr zu kämpfen gegen ein negatives Image - dabei gibt es in Glinde viel Negatives, aber nicht dieses Haus", sagt Ursula Sachse.

Die 73-jährige hat ein mustergültiges Projekt als Beispiel für gute Nachbarschaft angeschoben: Die Mieter und Eigentümer der 180 Wohnungen im Hochhausblock am Sandweg haben auf Sachses Initiative hin zusammengelegt und 795 Euro für das Bemalen der beiden Stromverteilerkästen vor dem Haus aufgebracht.

Drei Tage hat der Graffitikünstler Daniel Siedel aus Hamburg gebraucht, um die beiden gräulichen Kästen mit Arcyllack aus Sprühdosen in bunte Wahrzeichen für ein harmonisches Zusammenleben der Nationen am Sandweg zu verwandeln. 53 Flaggen schmücken den Kasten an der Bushaltestelle, der zweite auf Höhe des Abzweigs zur Dorfstraße zeigt vier Kinder unterschiedlicher Hautfarbe, die sich auf einer großen Weltkarte an den Händen halten.

"Im vergangenen Jahr haben wir Eigentümer die Fassade unseres Wohnblocks reinigen und streichen lassen. Und als ich mir das schöne Haus betrachtete, fielen mir die beiden Verteilerkästen vor unserem Grundstück auf. Sie sahen wirklich schlimm aus, und da fielen mir die vielen, bunten Stromkästen in Glinde ein", erzählt Ursula Sachse. Über Anke Pohlmann, verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit der Stadt, erfuhr sie, wie diese zu verschönern sind.

Seit Juni 2012 hat Pohlmann schon 62 Stromkästen von Sponsoren gestalten lassen. Die Idee importierte sie aus Barsbüttel. Wer Geld für die Verschönerung eines Stromkastens spenden möchte, kann sich bei der Glinder Stadtverwaltung melden. Die kümmert sich um die Genehmigung und beauftragt einen Graffitikünstler. Die Motive können die Sponsoren gemeinsam mit dem Künstler aussuchen. Bei 150 Euro geht es los.

Fünf Monate hat die ehemalige Schulsozialpädagogin Sachse gebraucht, um bei allen Wohnungen zu klingeln und Geld für die Sprühaktion zu sammeln. Zwei Drittel der Bewohner beteiligten sich. Ende Februar hatte sie die benötigten 795 Euro zusammen. Die Wünsche der Spender flossen mit ein.

Bis auf einen wurden bisher alle Kästen in Glinde von Sven Bliesener aus Reinbek und Daniel Siedel aus Hamburg besprüht. Siedel ist Autodidakt. Seine Sprayerkarriere begann mit 16 Jahren, als er in einer Schulprojektwoche die Außenwand der Turnhalle seines Gymnasiums verschönern durfte. "Ich hab quasi mein Hobby zum Beruf gemacht", sagt der Künstler, der mittlerweile auch die Leinwand für sich entdeckt hat.

dsiedel.tumblr.com