Neuer Zeuge belastet den Angeklagten Amir H. schwer - kostete eine Beleidigung Massoud A. das Leben?

Musste Massoud A. wegen verletzter Ehre sterben? Die Leiche des 29-jährigen Hotelportiers war am Morgen des 5. März 2014 mit Schusswunden im Kopf und in der Brust in der Havighorster Feldmark gefunden worden (wir berichteten).

Seit dem 7. November 2014 verhandelt das Landgericht Lübeck wegen Mordes gegen Amir H., einen 46-jährigen afghanischen Landsmann und Schwager des Opfers. Bisher suchte das Gericht vergeblich nach einem möglichen Motiv, in der gestrigen Verhandlung gab es dann einen konkreten Hinweis: Massoud A. soll Amir H. als "Hurensohn" beschimpft haben, der "keinen Arsch in der Hose" habe. Diese Beleidigung soll ihn das Leben gekostet haben.

Die Aussage stammte allerdings nicht vom Angeklagten, sondern von einem Zeugen. Amir H. hat die Tat am ersten Verhandlungstag nachdrücklich bestritten, "alles Lüge", hatte er damals gesagt. Während der Untersuchungshaft in Lübeck hatte er den 47-jährigen Iraner Schabab E. kennengelernt, der zurzeit eine Freiheitsstrafe wegen Fahrens ohne Führerschein und Nötigung verbüßt. Anfang der 90er-Jahre wurde E. wegen Mordes zu "lebenslänglich" verurteilt und später vorzeitig entlassen. "Amir hat mir nach und nach fast alles über die Tat erzählt", sagte er gestern im Zeugenstand, "er hatte Vertrauen zu mir, weil er sich mit mir auf Persisch unterhalten konnte. Zu den anderen Gefangenen hatte er fast keinen Kontakt, weil er kaum Deutsch spricht."

Zu dem Mord wollte E. sich zunächst nicht äußern, "dazu habe ich vom Angeklagten nichts erfahren, ich kannte die Geschichten nur vom Hörensagen, bei den anderen Gefangenen wurde viel darüber geredet". Doch der Vorsitzende Richter Christian Singelmann konfrontierte den Zeugen mit dessen Aussagen vor der Polizei. Dort hatte Schabab E. detaillierte Aussagen zu den Erzählungen seines Zellennachbarn gemacht, die Rückschlüsse auf das Motiv und auf den Tathergang zuließen. "Ja, es stimmt, was ich bei der Polizei gesagt habe", gab der Zeuge schließlich zu.

Danach soll sich die Tat wie folgt abgespielt haben:

Amir H. und Massoud A. hatten sich in der Mordnacht zu einem Treffen am Reinbeker Redder in der Havighorster Feldmark verabredet. Massoud A. fuhr mit seinem eigenen Wagen dorthin, Amir H. ließ sich von einem "unbekannten Dritten" hinfahren. Bei der Unterredung kam es zum Streit, unter anderem auch um Drogengeschäfte. Schließlich verlor Amir H. die Nerven und tötete seinen Kontrahenten mit vier Pistolenschüssen.

"Hat der Angeklagte Ihnen auch erzählt, warum er die Waffe einsteckte?", fragte der Richter. "Ja, er fürchtete, dass er von Massoud und dem unbekannten Dritten in eine Falle gelockt werden könnte", so der Zeuge. Nach der Tat habe der Dritte Amir H. wieder nach Hamburg gefahren und auch die Pistole an sich genommen. Das würde auch den Verbleib der Tatwaffe erklären, nach der 160 Polizisten im Frühjahr 2014 tagelang vergeblich gesucht hatten.

Der Angeklagte verlor während dieser Zeugenaussage die Fassung, er bekam einen Wutanfall und trommelte mit den Fäusten auf die Tischplatte.

Der Prozess wird fortgesetzt, ein Urteil soll am 8. Mai ergehen.