Nordirak: Jesidische Familie sammelt zwei Monate lang Spenden und bringt sie in die Flüchtlingslager

"Ich habe gesehen, dass man mit sehr wenig sehr viel bewirken kann", sagt Haider Alias (18). "Wir haben rund 9000 Menschen geholfen." Seit fünf Tagen ist der junge Jeside, der auf der Sönke-Nissen-Gemeinschaftsschule seinen Realschulabschluss gemacht hat und jetzt sein Fachabitur angeht, zurück aus dem Nordirak, wo er die in Glinde gesammelten Spenden an Flüchtlinge verteilt hat.

Ein elf Meter langer Sattelzug mit Kartons voller Kleidung, warmer Decken und Spielzeug sowie mit gebrauchten Krankenbetten, Rollatoren und Fahrrädern hatte sich am 19. Januar von Glinde aus auf den Weg nach Dohuk im Nordirak gemacht. Die katholische Gemeinde, das Bündnis M.u.T., die Bürgerinitiative gegen Rechts und die Flüchtlingshilfe Glinde hatten die Familie Alias, die der religiösen Minderheit der Jesiden angehört und seit zehn Jahren in Glinde lebt, dabei unterstützt, die Sachspenden zu sammeln.

Ein Monat im Nordirak

Einen Monat war Haider Alias vor Ort und hat Flüchtlinge in fünf Camps versorgt. Mit 30 Helfern haben sie die Spenden sortiert, in mehrere tausend handliche Tüten verpackt und mit zwei gemieteten Transportern in die Lager gebracht. Von den Geldspenden - rund 6000 Euro gingen auf dem Spendenkonto ein, wovon auch der Transport bezahlt wurde - hat er im Irak auch Babymilch gekauft, medizinische Hilfe organisiert und die Helfer verpflegt. Alle bekamen T-Shirts mit dem Wappen der Stadt Glinde und dem Namen der Familie Alias darauf, um sie als humanitäre Helfer kenntlich zu machen. Haiders Urgroßvater, der Baba Sheikh Alias Haij, war von 1979 bis 1995 das religiöse Oberhaupt der Jesiden. Viele Menschen küssten Haider im Irak vor Dankbarkeit die Hand. "Das war mir schon ein wenig unangenehm. Es ist ja nicht mein Verdienst, sondern der Verdienst aller, die uns unterstützt haben", sagt er.

Der junge Glinder bewies Verhandlungsgeschick, als er in Dohuk die Spende von 14 Krankenbetten aus einem Hamburger Krankenhaus gegen eine Behandlung für die Campbewohner eintauschte, die sich keine medizinische Versorgung leisten können. Dohuk ist ein Zentrum der jesidischen Flüchtlinge, die es geschafft haben, aus den Sindshar-Bergen, wohin sie von der Terrormiliz IS flohen, nach Kurdistan zu flüchten.

Einen Tag nach Angelina Jolie

"Die Zustände dort sind katastrophal", sagt Haider, dessen Großeltern mit vier ihrer Kinder im Lager in Xanke bei Dohuk leben. "Etwa 500 000 Menschen leben in Zelten, viele der Vertriebenen haben noch nicht einmal Schuhe." Während die Temperaturen tagsüber schon elf Grad erreichten, froren die Menschen nachts bei minus 10 Grad. In Xanke kamen die Helfer einen Tag nach Angelina Jolie an, die die internationale Gemeinschaft aufforderte, den Menschen in den Camps zu helfen und ihnen ihre Heimat wieder zu geben. Geholfen haben Haider und seine Mitstreiter auch Flüchtlingen, die in den umliegenden Lagern in Esia und Sharia oder auf verlassenen Baustellen Zuflucht fanden. Wegen der anhaltenden Kämpfe im Irak ließen Vater Hidayat und Mutter Neyet ihren Sohn nur mit gemischten Gefühlen fahren. "10 Minuten von Esia entfernt wurde gekämpft. Da donnerten die Jets über uns hinweg", erzählt er. Umso größer war die Freude, ihren Ältesten wieder in die Arme schließen zu können. "Wir konnten selten telefonieren und ich hatte große Angst um ihn. Gott sei Dank ging alles gut", sagt Neyet Alias.