Kinderkrebshilfe Oststeinbek: 2013 bekam er die letzten Medikamente gegen seine Leukämie

Seine blonden Haare stehen strubbelig in alle Richtungen, als Renate Vorbeck Paul (6) die Mütze abzieht. Denn im Kindergarten haben sie gebolzt, und beim Thema Fußball kennt der sonst eher ruhige und höfliche Sechsjährige kein Halten mehr. Paul ist stolz darauf, dass er beim OSV im Tor steht. "Bei der G-Jugend", erklärt er und schaut ernst durch seine knallblaue Brille. Vom Weihnachtsmann wünscht er sich sehnlichst die Polizeiwache von Lego.

Paul ist ein ganz normaler Junge. Renate Vorbeck macht das glücklich. Als die Gründerin der Kinderkrebshilfe den Steppke kennenlernte, war nämlich alles anders. "Diesen ersten Eindruck werde ich nie vergessen", erzählt sie. "Er war ein kleiner, zweieinhalbjähriger Stupf in der Kinderkrebsstation der Universitätsklinik Eppendorf und saß zwischen seinen Eltern. Er war so weiß, und es ging ihm wirklich schlecht." Paul litt an Leukämie, heute gilt er als geheilt. Im Juni 2013 hat er seine letzten Medikamente bekommen. Alle drei Monate muss er zum "Fingerpiks" nach Eppendorf. Dann wird sein Blut auf Krebszellen kontrolliert.

Seiner Mutter Jeanette Quellmalz fällt es sichtlich schwer, über diese vergangene, harte Zeit zu sprechen. Und ihr Lütter will erst recht nichts davon hören, versucht wieder auf sein Lieblingsthema Fußball zu kommen: "Mama, Reus ist schon wieder verletzt", berichtet er ihr besorgt. Die 34-Jährige streicht ihm liebevoll das dichte Haar aus der Stirn. "Zum Glück haben wir alles überstanden", sagt sie. Mit Grausen erinnert sie sich daran, als der damals Zweijährige plötzlich auffällig lange schlief, extrem blass und voller blauer Flecke war. "Aber er war immer recht wild, deshalb habe ich mir erst nichts dabei gedacht", erzählt sie. "Eines Tages blutete er stark am Zahn, als ich ihn von der Kita abholte. Sein Zahn wackelte, sodass ich dachte, er muss einen Unfall gehabt haben." Doch die Erzieher hatten nichts bemerkt. "Ich war total sauer und dachte, der braucht erst einmal eine Woche Ferien." Zur Erholung fuhr sie mit Paul zu ihren Eltern.

Die Oststeinbekerin ist selbst Ärztin. "Natürlich rumorte es in mir. Meine Eltern aber beruhigten mich: 'Guck mal, wie der rumrennt! Das kann nicht sein.'" Wieder zu Hause, wachte sie plötzlich noch vor ihm auf. "Sein Gesicht war so weiß wie das Kissen", erinnert sie sich. "Da wusste ich es im Grunde schon." Als der Anruf des Kinderarztes sie nach der Untersuchung auf dem Handy erreichte, saß sie im Auto. "Ich habe mein Kind aus dem Sitz an mich gerissen und geweint", erzählt sie.

Leukämie ist bei Kindern die häufigste Krebsart, gefolgt von Gehirntumoren und Neuroplastomen. Die Ursache der lebensbedrohlichen Krankheit ist ungeklärt. Die Heilungschance bei Leukämie liegt aber bei 80 Prozent. Die Kinderkrebsstation des UKE hat 17 Betten. In Deutschland erkranken jedes Jahr etwa 1800 Kinder an dem Blutkrebs. "Die Ärzte dort sehen jedes Jahr 120 neue Patienten im Alter von 0 bis 18 Jahren", erklärt Vorbeck. 40 bis 50 Kinder und Jugendliche werden außerdem ambulant behandelt.

Paul und seine Eltern mussten noch am Tag der Diagnose in die Uniklinik. "Die Krebszellen waren schon in seinem Blut, nicht mehr nur im Knochenmark", erzählt Jeanette Quellmalz. Es musste sofort mit der ersten Chemotherapie begonnen werden. Drei Wochen waren sie im UKE. "Er war ja noch so klein. Er musste erst einmal lernen, das Kortison zu schlucken", erklärt seine Mutter mit Schaudern. Es war hart: Übelkeit, Schmerzen, Pauls Haare fielen aus. "Er nahm alle Komplikationen mit, die es gibt", erzählt die 34-Jährige. "Fieber, er entwickelte einen Diabetes, zu Hause mussten wir zweimal den Rettungswagen rufen, weil er morgens bewusstlos war."

Aus den geplanten neun Therapie-Monaten wurden zwölf. Wenn Jeanette Quellmalz nicht mehr weiterwusste, half Renate Vorbeck. "Ich konnte sie immer wieder anrufen. Denn sie wusste, worum es ging. Sie wurde gleichzeitig Ersatzmutti und -omi für uns", sagt die Oststeinbekerin dankbar. Renate Vorbeck freut sich über das Vertrauen: "Im Notfall springe ich gern ein und hole Paul beispielsweise von der Kita ab. Denn seine Großeltern wohnen weit weg und für mich ist es eine große Freude zu sehen, wie gut es ihm jetzt geht." Bei ihrer Arbeit für die Kinderkrebshilfe hat sie auch schon kleine Patienten kennengelernt, die den Kampf gegen den Krebs verloren haben.

In 27 Jahren hat Renate Vorbeck gut 250 000 Euro für die kleinen Patienten gesammelt. "Man glaubt nicht, wie viele Dinge über Spenden finanziert werden müssen", stellt sie fest. Gerade konnte sie 2200 Euro von Carsten Dworschak und Thomas Muhle vom Medi-Terrain entgegennehmen: Der Erlös aus einem Benefiz-Kickerturnier. "Damit werden wir drei mobile Trennwände für etwas mehr Privatsphäre im Krankenzimmer und einen Teil der Mal- und Musiktherapie für die Kinder zahlen", erklärt Vorbeck. "Es ist so wichtig für sie, dass sie das Krankenhaus einmal kurzzeitig vergessen und ihre Angst und Trauer ausdrücken können."

Der große Kämpfer Paul macht sogar seiner Mutter Mut: Während seiner Krankheit hat sie ihren Job in der Notaufnahme verloren. Denn die geforderte Vollzeit ließ sich nicht mehr organisieren. Nach viel Pech in der Arbeitswelt hat sie jetzt eine neue Beschäftigung gefunden und will 2015 unbedingt ihren Facharzt machen. "Wenn ich sehe, was mein Paul alles geschafft hat, denke ich, ich kann das."

Wer für die Kinderkrebshilfe spenden will, erreicht Renate Vorbeck unter Telefon (01 71) 8 39 93 80.