Infrastruktur: Vernachlässigt Glinde seine Unternehmen?

Um Baupläne an seine Kunden per E-Mail zu senden, muss Carsten Becker meist nach Hause fahren. "Im Büro dauert es so lange, dass die Übertragung wegen Zeitüberschreitung abgebrochen wird", bedauert der Geschäftsführer des Bauingenieurbüros "Das Team". Wie in vielen der rund 40 Unternehmen an der Humboldtstraße, hadern seine Mitarbeiter mit bloß 2 Megabit pro Sekunde. "Meine Internetverbindung Zuhause ist um Weiten schneller, als die im Gewerbegebiet."

Manfred Kock, der mit seiner Firma ebenfalls an der Humboldtstraße 27 ansässig ist, fordert die Kommune zum Handeln auf: "Die Stadt muss doch angesichts der Gewerbesteuer sicherstellen, dass sich die zahlenden Unternehmer dort wohl fühlen." Zu einer guten Infrastruktur gehöre ein leistungsstarkes Netz.

Als Standort muss Glinde für Unternehmer attraktiv bleiben: Einen großen Teil ihrer Einnahmen generiert die Stadt über die Gewerbesteuer. Allein in diesem Jahr rechnet sie bei einem Hebesatz von 380 Prozent mit 10,3 Millionen Euro. Internet im Kriechtempo hilft dabei eher wenig. Bürgermeister Rainhard Zug hält dagegen: "Es ist uns untersagt, den Breitbandausbau zu bezuschussen." Tatsächlich unterliegt die Förderung von Breitbandprojekten dem sogenannten EU-Beihilferecht. Das erlaubt den Kommunen nur bei Unterversorgung und unter der Voraussetzung, dass kein Anbieter in absehbarer Zeit und ohne öffentliche Zuschüsse einen Breitbandausbau durchführen wird, sich finanziell daran zu beteiligen. Auch wenn die 2 Mbit/s allenfalls eine Grundversorgung darstellen, darf die Stadt nicht tätig werden. Zudem hatte sich bereits vor zwei Jahren ein Anbieter gefunden.

Damals hatte sich das Kommunikationsunternehmen willy.tel bereit erklärt, den Glasfaserausbau von der Gutenbergstraße über 800 Meter bis in die Humboldtstraße zu erweitern. Vorausgesetzt, es melden sich vier Firmen, die auf den Anschluss von willy.tel umsteigen. Interessiert waren nur zwei. Die Initiative scheiterte.

"Damals wären monatliche Vertragskosten von 400 Euro auf uns zugekommen, und das über Jahre. Das war für uns nicht wirtschaftlich", sagt Carsten Becker. Zug, der damals als Vermittler fungierte, sieht das anders. "Ein mittelständisches Unternehmen muss die Entscheidung über knapp 5000 Euro im Jahr treffen können. Bei so großen Datenmengen ist eine Firma auch ihren Mitarbeitern schuldig, nötige Investitionen für die Infrastruktur zu treffen", sagt der Verwaltungschef und stellt klar: "Netzausbau ist in Glinde nicht Sache der Kommune."

Eine Entscheidung haben Carsten Becker und Manfred Kock nun getroffen. Sie haben die Gespräche mit willy.tel in Eigenregie wieder aufgenommen. Für den Tiefbau geht willy.tel mit rund 70 000 Euro in Vorleistung. "Bisher trägt das die Kosten nicht. Wir bauen also darauf, dass sich dort mehr Unternehmen für einen Anschluss bei uns entscheiden", sagt Geschäftsführer Bernd Thielk.

Nach 12 Jahren am Standort ist Unternehmer Carsten Becker mit der Lösung zufrieden: "Wir zahlen dann 100 Euro monatlich für einen Anschluss mit 100 Mbit/s." Spätestens im kommenden März sollen auch unter der Humboldtstraße endlich Daten mit Lichtgeschwindigkeit fließen.