Erziehung: Experten raten Eltern, im Internet am Ball zu bleiben

"Ist das noch normal?" Das fragen sich viele Mütter und Väter, wenn sie sehen, wie oft und wie lange ihre Kinder vor dem Bildschirm oder am Handy kleben. Beim sicheren Umgang mit sozialen Netzwerken, Apps, Chats, Online- und Konsolenspielen wollen sie ihren Nachwuchs unterstützen. Doch da sie nicht auf Erfahrungen aus ihrer Jugend zurückgreifen können, sind sie verunsichert. Oft müssen sie feststellen, dass sich die Kinder wesentlich besser auskennen als sie.

Reinhild Haacker, die als ausgebildete Medienlotsin auf Elternabenden über die Problematik informiert, kennt das: "Wir hingen früher als Mädchen stundenlang am Telefon", erinnert sie. "Heute kommunizieren die Teenager über WhatsApp oder Facebook. 88 Prozent können vom eigenen Zimmer ins Internet gehen." Sie rät: "Eltern sollten mit ihrem Kind sprechen und online spielen. Das hilft, Ängsten und Sorgen zu begegnen. Und sie sollten sich mit anderen Eltern austauschen, sich gegenseitig informieren. Empfehlenswert sei es außerdem, über die Zeiten Regeln zu vereinbaren. Grundschüler sollten gemeinsam mit den Eltern online gehen. "Ein generelles Internet-Verbot hilft nicht, weil die Kinder schließlich den Umgang mit den Medien lernen müssen."

Klar sei, dass Mütter und Väter handeln müssen, wenn sie sich Sorgen machen, wenn ihr Kind über dem Smartphone oder Computer Hausaufgaben oder gar Freunde vernachlässigt. Für Reinhild Haacker steht auch fest, dass Eltern sich nicht darauf zurückziehen sollten, dass sie sich nicht auskennen. Kundig machen könnten sie sich beispielsweise im Internet.

Das sieht Diplom-Psychologe Paul Binet, im Beratungszentrum Südstormarn zuständig für Suchtprävention, ebenso: "Eltern überlassen ihren Kindern schließlich auch nicht den Schlüssel fürs Haus, sie behalten die Schlüsselgewalt. Das sollte fürs Internet genauso gelten, das ist eine Pflicht der Eltern." Auch wenn es manchmal unbequem sei. Die Trends sind schnelllebig. Facebook beispielsweise interessiert die 14-bis 18-Jährigen immer weniger, wie eine Umfrage in den USA ergab. Das bestätigt auch eine Befragung unserer Zeitung auf dem Glinder Marktplatz (siehe rechts).

Dennoch müssen Mütter und Väter am Ball bleiben, mahnt Binet. Die Kinder sollten wissen, dass die Eltern auf einer Datei auf dem Router, dem logfile, jederzeit nachschauen könnten, wo ihr Kind online unterwegs war. "Eltern sollten das nicht kontrollieren, so viel Vertrauen sollte da sein", sagt Binet. "Aber den Kindern sollte diese Kontrollmöglichkeit der Eltern bewusst sein."

Der Suchtberater beobachtet zwar eine zunehmende Sensibilisierung für Internet- oder Handy-Sucht, aber Fälle, bei denen Kinder tatsächlich stationär behandelt werden müssten, seien selten. "Während meines Berufslebens hatte ich vielleicht zwei oder drei Fälle." Das Thema tauche heute in jeder Suchtpräventionsveranstaltung in der Schule auf, hat er beobachtet. "Vor fünf Jahren war das noch ein Einzelphänomen. Die Übergänge von der Gewohnheits- zur Missbrauchsphase sind aber fließend. "

www.klicksafe.de (EU-geförderte Homepage), www.h2a-kom.de (Reinhild Haacker), www.svs-stormarn.de (Paul Binet).