"bz"/LL:

Während der Zeit bei der NVA fingen Sie mit dem Lesen und gleich auch mit dem Schreiben an. Wie kam das?

Lutz Seiler: In meinem Elternhaus gab es keine Bücher, und in meiner Jugend waren andere Dinge wichtiger: Motorräder, die Gang. Bei der Armee war das so eine geschlossene Veranstaltung. In der Freizeit haben die anderen auf den Zimmern Laubsägearbeiten gemacht, ich war eher nicht so geschickt. Da haben sie mich aufs Bett verbannt, und ich fing an zu lesen. Draußen standen Regale mit aussortierten Büchern aus der Gewerkschaftsbibliothek, die konnte man sich nehmen. Ich habe auch viel Schrott gelesen. Eine Kostbarkeit war aber dabei, ein Buch mit Gedichten von Peter Huchel. Aber das Lesen war auch als Ereignis so groß, da habe ich einfach mit dem Schreiben angefangen.

Sie haben sich einen Namen mit Lyrik und Prosa gemacht, haben dann Erzählungen veröffentlicht. Nun folgt der erste Roman. Geht so eine klassische Schriftstellerkarriere?

Nein, es gibt keine Karriere von der Erzählung zum Roman. Es gibt ein Leben hin zum Gedicht und ein Leben hin zum Roman. Das Gedicht ist eine konzentrierte Form der Versenkung, ein besonderer Bewusstseinszustand, aus dem man wieder auftauchen kann, um etwas anderes zu machen. Im Roman geht das nicht. Auf dieser Baustelle bin ich vier Jahre geblieben und habe vorher ein Jahr auf einer Idee gekniet, die nicht gelungen ist. Das braucht sehr viel Anwesenheit und Liebe zum Detail. Man ist mit dem Block unterwegs, hört, was Leute reden, sieht ihnen zu. Wenn ich schreibe, sitze ich ab halb acht am Schreibtisch bis mittags, Schreiben ist morgens am besten. Aber es gibt auch diesen Heimathafen der Gedichte, in den ich zurückkehren kann.

Ist das Buch auch eine Parabel auf den Niedergang der DDR?

Um der Schublade "25 Jahre Mauerfall" vorzubeugen, behaupte ich immer, es geht um eine zärtliche, schwierige Männerfreundschaft. Aber diese Mannschaft und der Niedergang des Lokals ist schon eine Metapher für den Niedergang der DDR, aber das sage ich nur hier.

Sie haben, wie ihr Protagonist Ed, selbst als Tellerwäscher auf Hiddensee gearbeitet. Wie viel Autobiografisches steckt in "Kruso"?

Es ist nicht autobiografisch. Aber als Autor braucht man authentische Ausgangspunkte, von denen aus man weiter marschiert in das Erfundene, Fantastische hinein. Und das kommt einem dann nicht weniger wahr vor.

Sie sind jetzt auf Lesereise mit "Kruso", ist das die schönste Zeit für einen Autor?

Die schönste Zeit ist, wenn das Buch fertig ist und noch nicht erschienen. Man weiß, man hat die Arbeit gemacht und muss noch nicht dafür in den Ring steigen. Wenn man also eigentlich frei hat.