“Die Wunderkerze“: Britta Anlauf (38) managed eine Kerzenwerkstatt im Team

"Ich hab den ganzen Tag Ideen, ich könnte noch drei Firmen gründen.", sagt Britta Anlauf - die Frau, die als Marketing Managerin verrückte Aktionen wie die WM-Krake Paul mit erdachte, bevor ihr Leben vor drei Jahren durch einen Schlafanfall eine jähe Vollbremsung erfuhr. Bisher ist es eine Firma geworden: Seit einem Jahr gibt es "Die Wunderkerze" in Stapelfeld, eine interaktive Kerzenwerkstatt für Groß und Klein mit Cafébetrieb und Workshops.

Kindergärten und Schulklassen waren schon dort, beliebt sind auch die Geburtstagsfeiern mit Filmvorführung, Kerzenziehen und Crepes-Essen. Wer die gebürtige Bergedorferin trifft, ahnt nicht sofort, was sie durchgemacht hat. Erst im Gespräch zeigt sich, dass es sie schnell anstrengt und sie dann nicht mehr so flüssig formulieren kann. An guten Tagen fällt es auch kaum auf, dass die 38-Jährige etwas hinkt. Die Powerfrau nimmt es mit Humor - weil es sonst auch nicht anders zu ertragen wäre: "Ich hatte einen Schlaganfall und sehe dabei noch gut aus", sagt sie und lächelt.

Es hat zwei Jahre gedauert, bis sie akzeptiert hat, dass sie nicht mehr gesund wird. Auto fahren kann sie mit ihrer Schwerbehinderung nicht mehr. Das Fahrradfahren hat sie sich mühsam wieder beigebracht, genau wie das Reiten. In der Reha hatte sie als bekennender Workaholic anfangs ein schlechtes Gewissen, weil sie nicht mehr arbeiten konnte. Bis sie dort das Kerzenziehen ausprobierte und merkte, wie viel Spaß es macht, aber auch welche Konzentration es erfordert. "Das war meine Ergotherapie", sagt Britta Anlauf heute. Die Ideen, was man mit dem Rohstoff Wachs alles anstellen könnte, sprudelten danach nur so. Ideen produzieren war schließlich ihr Job bei der Merlin Entertainments GmbH (Hamburg Dungeon, Sealife Deutschland).

In monatelangen Recherchen suchte sie nach der Reha die Ausstattung für "Die Wunderkerze" zusammen. Zum Beispiel die Industrieschmelztiegel, in denen buntes, flüssiges Wachs auf die Kerzenzieher wartet. Auch die Idee, die Tiegel in Holzfässer zu stecken und funkelnde Lichtbänder darum zu ziehen. stammt von ihr. In Regalen stapeln sich daneben die Rohstoffe wie Paraffin und Plättchen. Auf 130 Quadratmetern können hier Weihnachtsfeiern für bis zu 50 Leute stattfinden.

"Anfangs hat niemand verstanden, in welchen Dimensionen ich denke", erinnert sich Anlauf. Die große Sparkasse, an die sie ihren Businessplan schickte, ließ sie abblitzen. Also löste sie ihren Bausparvertrag auf und steckte ihre gesamten Ersparnisse in die Geschäftsidee - eine Chance, beruflich wieder Fuß zu fassen.

Manchmal hilft sie bei Kindergeburtstagen hinter der Theke, obwohl das für sie ein Kraftakt ist. "Ich bin eigentlich ein lockerer fröhlicher Typ, aber mit Menschen zu reden strengt mich jetzt unheimlich an. Es fühlt sich an wie ein 3D-Rundkino mit Kater. Nur wenn ich meine Ruhe habe, kann ich mich konzentrieren und denken." Deshalb ist sie für "Die Wunderkerze" das Gehirn im Hintergrund, denkt sich Konzepte aus, telefoniert, und recherchiert. Dank Internet kann sie von zu Hause in Stellau mitwirken, aber auch jederzeit ausruhen. Am Anfang waren schon 10 Minuten am PC für sie unendlich anstrengend, weil ihr Sehzentrum durch den Schlaganfall stark geschädigt ist.

Die zierliche Blonde, die so spritzig und durchsetzungsfähig wirkt, ist seit ihrem Schlaganfall durch eine harte Schule gegangen. "Ich kämpfe, seit ich krank bin", sagt sie, unter anderem zweieinhalb Jahre um die erst 2014 erfolgte Anerkennung ihres Schwerbehindertenstatus. Wie wichtig gute Freunde sind, hat sie dagegen dankbar erfahren dürfen. Was nicht online bestellt wurde, besorgten Freundinnen, die Webseite gestaltete ihr eine Freundin umsonst. "Drei Frauen haben alles gebaut, was Sie hier sehen", sagt sie und deutet auf die Einrichtung der Kerzenwerkstatt. Bitter dagegen: Ihre private Krankenversicherung ließ sie durch eine Detektei beschatten. "Die Vorstellung, dass man schwer krank und erwerbsunfähig ist, es dennoch schafft eine Firma aufzubauen, ohne dort selbst arbeiten zu können, ist für viele Menschen nicht greifbar", sagt sie. Zur Unterstützung hat sie sechs weitere Powerfrauen um sich geschart. Zum Beispiel ihre Werkstattleiterin Simone Wenck (37). Die Wentorferin leitet das Tagesgeschäft, betreut die Workshops und die Kindergeburtstage. Oder Heide Bohlmann (45) aus Stapelfeld, die sich verstärkt um Veranstaltungen für Erwachsene kümmern soll. Trotz aller Kämpfe lässt sich Britta Anlauf, für die bald noch eine Herzoperation ansteht, nicht unterkriegen. Wenn alles in geordneten Bahnen läuft, will sie ein Buch über ihre Erlebnisse schreiben. "Das wird ein lustiges Buch, weil es ohne Humor gar nicht geht."