Extremfall: Glinder lebte ein Jahr lang ohne Strom

Schuldnerberaterin Monique Hoenig hat in ihrem Berufsleben schon viel erlebt. Zurzeit bescheren ihr die explodierenden Energiekosten viele Klienten. "Mittlerweile werden sie für etwa jeden Dritten, der zu uns kommt, zur Schuldenfalle", schätzt sie. 2013 waren es 542 Ratsuchende, die eine längere Beratung brauchten, sowie 252 Kurzberatungen. Grund genug für die Schuldner- und Insolvenzberatung, morgen zwischen 16 und 19 Uhr im Gutshaus (Möllner Landstraße 53) zur bundesweiten Aktionswoche eine erweiterte Sprechstunde anzubieten.

Ein Extremfall war ein junger, alleinstehender Glinder, dem wegen ausstehender Rechnungen der Strom abgesperrt worden war. Länger als ein Jahr lebte er bei Kerzenlicht und ohne warme Mahlzeiten, bevor er in die Schuldnerberatung kam. "Das ist menschenunwürdig", stellt Hoenig fest. "Das darf heutzutage nicht mehr passieren."

Sie räumt ein, dass es um einen Sonderfall ging: Der junge Mann, der von Hartz IV lebt, hatte zusätzlich ein Suchtproblem und war selbst verantwortlich dafür, seine Stromkosten zu zahlen. "Meistens hilft es schon, wenn das Jobcenter direkt die Abschläge für den Strom an den Anbieter überweist." Denn vom Regelsatz von 391 Euro monatlich bleibe bei den galoppierenden Energiekosten immer weniger übrig für Lebensmittel, Versicherungen, Kleidung und Ähnliches. Komme dann noch die Jahresendabrechnung hinzu, bekämen viele Leistungsempfänger oder Geringverdiener Probleme, weil es ihnen unmöglich sei, etwas zurückzulegen. Aber auch Senioren mit kleiner Rente geraten immer mehr unter Druck.

Der betroffene Klient wird mittlerweile gesetzlich betreut. Immer wenn die Absperrung drohte, hatte er den Anbieter gewechselt. Das ging über Monate, bis er keinen neuen Versorger mehr fand. "Ist der Strom erst abgesperrt, wird es teuer", warnt Hoenig. Die Kunden müssten zudem noch mit über 100 Euro die Absperrung bezahlen; und erst wenn alle Energiekosten beglichen seien, würde der Strom wieder angeschaltet - dies sei ebenfalls gebührenpflichtig. Die Schuldnerberatung hilft - kostenlos - in solchen Fällen, indem sie versucht, beim Jobcenter ein Darlehen auszuhandeln.

Hoenig weiß, dass viele Klienten aus Angst ihre Post nicht mehr öffnen und deshalb oft den Moment vor der Stromabsperrung verpassen. "Aber wer zu uns kommt, braucht keine Angst zu haben", sagt sie. "Wir helfen, erst den Überblick und dann eine Lösung zu finden." Das gilt für alle finanziellen Notlagen.

Wer Rat braucht, kann morgen spontan vorbeikommen. Ansonsten ist die Beratung unter Telefon (040) 71 00 04 23 oder per E-Mail unter schuldnerberatung@gutshaus-glinde.de zu erreichen.