Ex-Senator stellt “verbesserte“ Selbsttötungsmaschine vor

Mit einer weißen Plastiktüte in der Hand bahnt sich der wegen Totschlags angeklagte Sterbehelfer Dr. Roger Kusch den Weg durch die wartenden Journalisten. Kusch rückt sich die violette Krawatte zurecht, dann zieht er die noch nicht veröffentlichte "Erfolgsbilanz" seines Oststeinbeker Vereins Sterbehilfe Deutschland (StHD) aus der Tüte: Der 2009 gegründete Verein für "Selbstbestimmung am Lebensende" habe bislang 118 Menschen in den Freitod begleitet, allein 41 im vergangenen Jahr, verkündet der ehemalige Hamburger Justizsenator sichtbar stolz. "Der Verein wächst. Letztes Jahr sind 300 der insgesamt 456 Mitglieder beigetreten." Dann macht Kusch eine bedeutungsvolle Pause, setzt ein siegessicheres Kameralächeln auf und verkündet: "Wir werden auch angesichts der Anklage weitermachen - ohne wenn und aber!"

Die Anklage war am Montag bekannt geworden (wir berichteten). Kusch und der Mediziner Dr. Johann Friedrich Spittler sind wegen gemeinschaftlichen Totschlags an zwei 81 und 85 Jahre alten Hamburgerinnen angeklagt. Ihnen wird vorgeworfen, 2012 die beiden gesunden und sozial eingebundenen Rentnerinnen beim Suizid unterstützt zu haben, obwohl bei ihnen keine hoffnungslosen Prognosen oder unerträgliche Beschwerden vorgelegen hätten.

Kusch wies die Einschätzung der Staatsanwaltschaft zurück, er habe mit dem Fall einen Präzedenzfall herbeiführen wollen. "Eine solche Anklage ist persönlich belastend", sagte er: "Belastend auch für die Mitglieder unseres Vereins, die ihrem Vorsitzenden vertrauen." Zu Einzelheiten der Anklage wollte sich Kusch nicht äußern. Er räumte aber ein, dass es bei dem betreffenden Fall tatsächlich eine Abweichung von der sonst üblichen Sterbebegleitung gegeben habe. Anders als sonst, sei Psychiater Spittler auch während des Suizids bei den Frauen geblieben. Kusch begründete dies nur verklausuliert: "Beim Sterben sollte es keine Prinzipien geben, nur der Prinzipien wegen." Auch Gutachter Spittler, der sichtlich unter dem Eindruck der Anklage stand, will mit der Sterbehilfe fortfahren: "Um dieser Menschen willen werde ich weitermachen, so schwer das nun auch ist."

Rechtsanwalt Walter Wellinghausen, der zusammen mit Anwältin Stefanie Kemper die Angeklagten vertritt, kritisierte die Anklageschrift. Diese zeige "deutliche Mängel in der handwerklichen Ausführung" und sei politisch motiviert. Er setze in einem möglichen Prozess auf die in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschriebene "Entscheidungsfreiheit" sowie die in Artikel 1 des Grundgesetzes verankerte Menschenwürde. Die Anwälte ließen durchblicken, dass es während des Ermittlungsverfahrens intensive Abstimmungen mit der Staatsanwaltschaft gegeben habe. Offenbar hatten die Sterbehelfer jedoch mit einer Anklage lediglich wegen "Beihilfe zur Tötung auf Verlangen" gerechnet.

Am Ende griff Roger Kusch noch einmal in die Plastiktüte: "Das ist für die technisch Interessierten." Für die 2008 von ihm entwickelte "Selbsttötungsmaschine" gebe es nun einen verbesserten Schalter. "Diesen Kontakt können auch extrem schwache Patienten mit der Wange auslösen", erläutert Kusch bei seiner bizarren Demonstration.