Spargelernte: Polnische Helfer ernähren ganze Familien - Viele kommen jedes Jahr

Von der Straße aus sehen Autofahrer sie schon ab 6 Uhr morgens auf dem Feld, ob bei strömendem Regen oder stechender Sonne: Sieben Erntehelfer aus Polen unterstützen Timo Posewang (35) diese Saison bei der Spargelernte. Der Landwirt ist froh, dass er sie hat. "Deutsche sind für diese Knochenarbeit nicht zu motivieren", sagt er. "Sie sind zu verwöhnt." Er legt den Arm um Ella Krawczyk, die bereits seit 20 Jahren, als seine Eltern Heike und Hans-Heinrich Posewang noch den Betrieb leiteten, aus dem polnischen Turek zur Ernte nach Oststeinbek kommt.

Inzwischen kennt er sogar selbst einige polnische Wörter. Welche, will er aber nicht verraten: "Die Schimpfwörter lernt man immer zuerst", sagt er lachend. Er zahlt seinen Mitarbeitern 7 Euro pro Stunde, bei einer 42-Stunden-Woche und kostenloser Unterkunft. "Wenn der Mindestlohn von 8,50 Euro kommt, werde ich die Preise erhöhen müssen", sagt Posewang. "Die Mehrkosten kann ich nicht aus eigener Tasche bezahlen."

Für seine polnischen Mitarbeiter ist der Stundenlohn schon jetzt der Hauptgrund dafür, zum Spargelstechen nach Oststeinbek zu kommen. Für Lukasz Wawrzymiak ist es die dritte Saison auf dem Hof Posewang. "Ella hat mich darauf gebracht", erzählt der 27-Jährige. "Sie ist meine Cousine. Ich verdiene hier doppelt so viel wie zu Hause in Polen. Dort ist es ohnehin schwer, einen Job zu finden." Zu Hause hat er eine Maschine in einer Fabrik bedient, die Gartentextilien, herstellt. Der 27-Jährige ist ledig, unterstützt mit dem Lohn noch seine Eltern. Sein Vater ist arbeitslos, seine Mutter an Krebs erkrankt. "Es gibt in Polen zwar eine Krankenversicherung, aber die bezahlt längst nicht alle Medikamente", sagt er. Wenn Lukasz Wawrzymiak zurückkehrt, sucht er sich einen neuen Job. Das lohne sich mehr, als auf die deutsche Bezahlung zu verzichten.

Ella Krawczyk bestreitet ihren Lebensunterhalt mittlerweile nur noch von ihren Jobs als Erntehelferin bei Posewangs. Im September kommt sie noch zur zweiten Saison, zur Kartoffelernte. "Mir macht die Arbeit Spaß", erklärt sie. "Klar, merkt man die Stunden auf dem Feld auch im Rücken. Aber wir können nicht meckern: Die Bezahlung stimmt und das Betriebsklima auch. Mein Chef ist mittlerweile fast ein Kumpel. Die Posewangs haben mich quasi adoptiert."

Viele Kunden kennen die gelernte Bürokauffrau aus dem Hofladen am Heidstücken, wo sie jetzt schon mal den Schälautomaten bedient. Denn mittlerweile hat sie sich die deutsche Sprache selbst beigebracht, dolmetscht auch zwischen Posewangs und ihren Kollegen. Sie hat das ganze Ernte-Team aus ihrer Heimat bei Posen rekrutiert. Außer ihrem Cousin ist noch ihre Schwester im Team. "Wir teilen uns jeweils zu zweit einen Wohncontainer", erzählt Ella Krawczyk. "Außerdem haben wir eine Küche und Duschen - alles, was wir brauchen."

Marcin Warych (30) ist dieses Jahr zum ersten Mal dabei. "Ich habe vorher in Polen auf dem Bau gearbeitet", erzählt er. "Mauern und malern - das ist ein wahrer Knochenjob. Das hier ist weniger anstrengend. Außerdem kann ich so meine drei Kinder und meine Frau ernähren. Sie ist leider arbeitslos." Heimweh zu ihnen darf er sich nicht leisten - er tröstet sich mit den Gedanken daran, was er den Drei- bis Elfjährigen und seiner Marzena mitbringen wird: Süßigkeiten und vielleicht eine Kette.

Meist bleiben die Erntehelfer unter sich. "Das hat aber nichts mit den Oststeinbekern zu tun", betont Ella Krawczyk. "Wenn wir Zeit haben, kommen wir heute auch beim Maibaum-Umzug vorbei."

Die Spargelpreise sind auf dem Hof Posewang stabil: Je nach Klasse kostet ein Kilogramm frisch vom Feld zwischen 3,50 und 7,50 Euro. Das Schälen kostet 1 Euro extra. Geöffnet ist montags bis samstags von 8 bis 12.30 Uhr, montags, dienstags, donnerstags und freitags von 14 bis 18 Uhr, während der Spargelsaison auch sonntags von 10 bis 12 Uhr.