Gleisdreieck: Auf dem Grundstück sollen Wohnungen gebaut werden - “Standort ist unsere Existenzgrundlage“

Zuerst mochte Gerhard Stelling gar nicht glauben, was er da in der Bergedorfer Zeitung las: Das Gelände an der Möllner Landstraße, auf dem seine Kfz-Werkstatt mit Reifenservice "RHG Autoteile & Tuning" steht, soll überbaut werden. Mit Mietwohnungen, unter anderem auch mit Sozialwohnungen. "Dabei haben wir unseren Pachtvertrag erst 2013 um zehn Jahre verlängert", sagt der 67-Jährige. "Und ich wollte demnächst meinem Sohn Martin das Geschäft übergeben und mich langsam zurückziehen."

Der Inhaber der Werkstatt war nicht nur vollkommen überrascht von diesen Plänen, sondern auch sauer, dass er davon erst aus der Zeitung erfahren musste. Er rief seinen Vermieter an. Der gab sich ebenfalls ahnungslos. Sollte es zu einem Verkauf kommen, würden seine Mieter finanziell entsprechend abgefunden, habe er gesagt. Unserer Zeitung gegenüber wollte er sich allerdings nicht äußern.

Ein Standortwechsel kommt für Gerhard Stelling und seinen Sohn Martin (43) jedoch nicht infrage. "Wir sind seit 2005 hier, haben uns einen festen Kundenstamm aufgebaut und genießen einen guten Ruf", sagt Kfz-Meister Martin Stelling. Und sein Vater fügt hinzu: "Wegen der zentralen Lage in der Stadt können viele Kunden ihren Wagen bei uns abgeben und gehen zu Fuß nach Hause. Unser Standort ist unsere Existenzgrundlage." Senior- und Juniorchef bestehen deshalb auf Einhaltung des Pachtvertrags für das etwa 2100 Quadratmeter große Grundstück.

Scheitert das Wohnungsbauprojekt "Altes Gleisdreieck" mit 160 Mietwohnungen jetzt an dem auf zehn Jahre befristeten Vertrag? Das Gewerbemietrecht sieht für den Vermieter bei einem befristeten Vertrag keine Möglichkeit vor, seinem Mieter vor Ablauf des vereinbarten Termins zu kündigen.

Doch Hartmut Thede, Projektleiter des Investors Semmelhaack, sieht das gelassen: "Wir wollen keinen Mieter vertreiben. Wenn die Unternehmer dort bleiben wollen, ziehen wir mit dem Bauvorhaben eben nach, sobald sie dort gehen wollen", sagte er gestern auf Anfrage unserer Zeitung. Ob nach drei, vier oder neun Jahren, sei egal. Thede bestätigte, dass es für das private Gelände an der Möllner Landstraße einen Vorvertrag zwischen Semmelhaack und dem Grundeigentümer gebe. "Wir beginnen dann auf dem hinteren, städtischen Areal mit dem Projekt", erklärte Thede. Auch der B-Plan werde so aufgestellt, dass man mit dem vorderen Grundstück nachziehen könne. Dort ist bisher der größte Block samt Tiefgarage geplant.

Wie berichtet, haben sich die Anwohner zu einer Bürgerinitiative zusammengeschlossen, die besonders gegen die Bebauung der städtischen Brache protestiert. Dort habe sich mittlerweile ein kleines Biotop für Fledermäuse, Singvögel und Pflanzen entwickelt. Außerdem befürchten sie eine zu hohe Verkehrsbelastung.