Marcellin Verbe wäre gestern 100 Jahre alt geworden - Glinder erinnern sich

. Ein Kranz hängt nun vom "V" des Marcellin-Verbe-Hauses herab. Somit darf man die "Kranzniederlegung" nicht ganz wortwörtlich nehmen, die Bürgermeister Rainhard Zug mit Bürgervorsteher Rolf Budde und Mitgliedern der Europa-Union sowie des Partnerschaftskomitees gestern vollzog. Mit dem Kranz wird dem Ehrenbürger der Stadt Glinde und Namensgeber des ehemaligen Bürgerhauses, Dr. Marcellin Verbe, gedacht: Gestern wäre er 100 Jahre alt geworden. Verbe war Mitbegründer der Verschwisterung zwischen Glinde und Saint-Sébastien-sur-Loire.

"Da wird viel Falsches über ihn verbreitet", wusste Hans Meier von der Glinder Europaunion. Der 88-Jährige, der wegen seines Engagements für die Völkerverständigung insbesondere zwischen Franzosen und Deutschen auch liebevoll "Europa-Meier" genannt wird, erinnerte an den Charakter und Mut Marcellin Verbes: "Er hat - und das betone ich - selbst im Konzentrationslager Buchenwald gesessen. Trotzdem sprach er sich nach dem Krieg sofort für die Versöhnung zwischen Deutschen und Franzosen aus." Und das sei in Frankreich denkbar schwer gewesen. Auf deutscher Seite sei das aufeinander Zugehen dagegen einfacher gewesen. Meier: "Da hatten alle ein schlechtes Gewissen." Verbe und Arthur Christiansen, Glindes damaliger Bürgervorsteher, hätten viel für die Versöhnung getan. Das findet seinen Ausdruck nicht nur im Verschwisterungsvertrag zwischen Glinde und Saint-Sébastien-sur-Loire, dessen 50. Jubiläum in diesem Sommer gefeiert wird. "Verbe sorgte auch dafür, dass wir mit unserem Musikkorps nach Frankreich reisen konnten und dort sogar deutsche Märsche spielen durften", so Meier.

Die Erinnerungen des Zeitzeugen ergänzte Bürgermeister Rainhard Zug um Fakten zum Lebenslauf. So sei der Geehrte im Gymnasium eine Sportskanone gewesen: "Er glänzte durch herausragende Leistungen im Rudern, in der Leichtathletik und im Rugby." 1939 habe Verbe sein Medizinstudium in Paris abgeschlossen. Im Krieg sei er zunächst als Arzt im Sanitätsdienst tätig gewesen. Verbe geriet in Kriegsgefangenschaft. Er versuchte zu fliehen - vergeblich. Die Nazis internierten ihn in Nürnberg, bevor er 1941 in seine Heimat Saint-Sébastien-sur-Loire entlassen wurde und dort wieder als Arzt arbeitete. Dann engagierte sich Verbe im Widerstand. Er flog auf und kam nach Buchenwald. Wieder versuchte er zu entkommen. Diesmal erfolgreich. Zug: "Nach seiner Flucht durch das Sudetenland fand er Aufnahme in die amerikanische Armee und stellte die ärztliche Versorgung von Deportierten und Kriegsgefangenen sicher." Erst nach dem Krieg kehrte Verbe nach Frankreich zurück, wurde 1953 zum Bürgermeister von Saint-Sébastien-sur-Loire gewählt. Das blieb er 30 Jahre lang.