Familientragödie: Täter bleibt in Psychiatrie - Weißer Ring betreut Angehörige in ihrer Trauer um die Kinder

Wie fühlen sich die Angehörigen eines Vaters, der seine eigenen Kinder getötet hat? Und wie gehen sie damit um? Ein derartig unvorstellbares Leid müssen die Familienmitglieder des Zahnarztes Fardeen A. ertragen. Der 38-Jährige hat vor rund zwei Monaten seine Tochter Celine (4) und Sohn Elias (6) im Schlaf getötet. Seine Frau schlief zeitgleich nichts ahnend im Elternzimmer des Einfamilienhauses am Kreuzweg.

Betreut wird die Familie jetzt von Angelika Bock von der Opferhilfeorganisation Weißer Ring Hamburg Süd-Ost. "Es ist wahnsinnig schwer gewesen, an sie heranzukommen. Weil sie muslimischen Glaubens sind, haben sie 40 Tage lang getrauert und sich uns kaum geöffnet", sagt sie. Die meisten Angehörigen seien in therapeutischer Behandlung. Mehr über ihren Zustand wollte sie auf Wunsch der Familie nicht sagen.

"Das Wichtigste in dieser Situation ist, dass die Hinterbliebenen nicht in völlige Verzweiflung geraten. Sie müssen stets jemanden an ihrer Seite wissen, der sie verstehen kann", sagt Kristina Erichsen-Kruse, stellvertretende Landesvorsitzende des Weißen Rings Hamburg. "Denn die Familie ist einerseits Opfer, gleichzeitig hat sie eine enge Verbindung zum Täter. Das macht es für sie so schwierig, das Geschehene einzuordnen", sagt Erichsen-Kruse. Die Kriminologin kennt beide Seiten - die der Opfer und die der Täter. Sie arbeitete über Jahre in der Psychiatrie Ochsenzoll mit psychisch kranken Straftätern. "In diesem Fall ist es womöglich sogar besser für die Familie, wenn es für den Vater der Kinder nicht zu einem Prozess kommt. Dann wird sie der Öffentlichkeit nicht vorgeführt", sagt die Expertin.

Dass es in diesem schrecklichen Fall nicht zur Anklage wegen Mordes kommt, ist sogar sehr wahrscheinlich. Laut Günter Möller von der Staatsanwaltschaft Lübeck weisen die bisherigen Ergebnisse eines psychologischen Gutachtens darauf hin, dass der Mann zur Tatzeit schuldunfähig war. Er habe seine Kinder in "religiösem Wahn" getötet. "Anstatt Anklage zu erheben, würden wir dann eine Antragsschrift mit dem Ziel einer dauerhaften Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik einreichen", sagt Möller.

Weder das Gutachten noch die Ermittlungen seien aber abgeschlossen. Sollte der forensische Gutachter zu dem Schluss kommen, dass Fardeen A. weiterhin eine Gefahr für andere ist, bleibt er in der psychiatrischen Klinik in Neustadt - wo er seit der Festnahme untergebracht ist. "Regelmäßig wird überprüft, ob er weiterhin in der Klinik betreut werden muss", sagt Möller.

Theoretisch könnte Fardeen A. sogar in Freiheit kommen. "Wenn der Gutachter zu dem Schluss kommt, dass die psychische Störung behandelbar ist und der Mann sich während der Tat in einem Ausnahmezustand befunden hat, wäre das möglich. In diesem Fall aber äußerst unwahrscheinlich", betont Möller.

Dass der Mann, der seinen beiden Kindern im Schlaf die Kehle aufschnitt, nicht in Haft für seine Taten büßen muss, klingt erschreckend. Kriminologin Erichsen-Kruse weiß aber um den Zustand, in dem solche Täter sich befinden. "Kommt der offenbar psychisch schwer kranke Mann irgendwann mit seinem Bewusstsein wieder in die Realität zurück, dann wird allein die Erinnerung daran, dass er seine Kinder getötet hat, eine unfassbar große Strafe sein - und die ist lebenslänglich."