Bürgerpreis: Hedwig und Walter Reiser bauen seit zehn Jahren Internate in Zentralindien

Wenn Hedwig (74) und Walter (76) Reiser auf Reisen sind, dann geht es abenteuerlich zu. Die Freigepäckgrenze von 30 Kilo pro Koffer ist jedes Mal bis aufs letzte Gramm ausgereizt. Für sich selbst haben die Reisers jedoch immer nur das Nötigste dabei. Gefüllt sind die Koffer mit Kuscheltieren und kleinen Geschenken. Mindestens einmal im Jahr macht sich das Oststeinbeker Ehepaar auf den Weg nach Madhya Pradesh in Zentralindien. Dort entwickeln sie seit zehn Jahren Schulprojekte für die Ureinwohner. "Die Tribals - wie die Ureinwohner heißen - stehen unterhalb aller indischen Kasten und leben in großer Armut", sagt Hedwig Reiser.

Begonnen hat das Engagement der beiden pensionierten Lehrer im Jahr 2000. Ein indischer Lehrer erzählte dem Ehepaar von den katastrophalen Zuständen in seinem Heimatland. "Um uns ein zu Bild machen, sind wir hingeflogen", erinnert sich Hedwig Reiser. Diese Reise wird sie nie vergessen: "Die Bevölkerung ist bitterarm." Erschüttert von den Umständen der Ureinwohner gründeten die Reisers mit anderen Lehrern den Verein "Paten indischer Kinder".

Heute können sie auf den Bau sechs Schulen und Internaten zurückblicken. Ihr Wunsch, ihre Schützlinge in Indien zu besuchen, hat in all den Jahren nicht nachgelassen - auch wenn der Weg dorthin beschwerlich ist. Ihre erste Etappe ist der Zentralflughafen in Mumbai. Dort angekommen, steigt das Ehepaar in den Zug nach Indore. "Die Zugtickets sind heiß begehrt, um eine Fahrkarte zu bekommen, muss man drei Monate vorher buchen", erzählt Hedwig Reiser. Die zehnstündige Zugfahrt nehmen die Senioren lediglich auf sich, damit sie die Geschenke für die indischen Kinder mitnehmen können. "Eigentlich könnten wir in einer Flugstunde Indore erreichen. Aber auf Inlandflügen sind nur 15 Kilo Gepäck pro Person erlaubt", sagt Walter Reiser. Das reicht eben nicht. Von Indore geht es im Geländewagen auf unbefestigten Wegen in die kargen und dünn besiedelten Regionen zu den Tribals. "Sie leben in Strohhütten ohne fließend Wasser und Elektrizität. Die Ernteerträge sind sehr gering", sagt Walter Reiser.

Etwa 1730 Kindern konnten die Reisers mit ihren Internaten die Chance auf eine bessere Zukunft geben. Schwierig sei die Ausbildung der Mädchen. "Sie werden von den Eltern oft nicht zur Schule geschickt. Wir sagen denen immer wieder, dass wir ihre Söhne nur aufnehmen, wenn sie uns auch ihre Töchter schicken", erzählt Hedwig Reiser.

Finanziert werden alle Projekte aus den Spenden des Vereins. Besonders stolz ist das Ehepaar auf die Ende vergangenen Jahres für 236 000 Euro fertiggestellte Schule in Panchkui, in der 1000 Kinder unterrichtet werden. Der enorme Arbeitsaufwand für die Projekte beginnt für die Reisers nicht erst in Indien. Hedwig Reiser ist auch in ihrer Heimat täglich damit beschäftigt, Anträge für die Bezuschussung des Bundes auf Entwicklungshilfe zu stellen, Architektenpläne zu prüfen, Infobriefe für die Spender zu schreiben und die Buchhaltung zu erledigen. Auch hält sie regelmäßig Vorträge über das Engagement in Indien.

Die Hände in den Schoß zu legen, das kommt für beide nicht in Frage. Sie sind mit den Gedanken schon wieder beim nächsten Projekt. In Dungripada soll ein Internat für Jungen entstehen. "Das Größte für uns ist, die strahlenden Kinderaugen zu sehen und zu wissen, dass sie genug zu Essen und eine Schulbildung erhalten", erklärt Walter Reiser und lächelt.

Für ihr außerordentliches Engagement sind die Reisers für den Bürgerpreis Bergedorf der Volksbank Bergedorf und der Bergedorfer Zeitung nominiert. Im April wählt eine Jury die Gewinner.