Altes Gleisdreieck: Bürger wehren sich gegen Bauprojekt

Wenn Michael Riedinger vor seine Haustür tritt, sieht er Bäume. Und das seit 35 Jahren. Innerhalb von nur zwei Jahren könnte sich dieser Anblick radikal ändern. Riedinger befürchtet, dass dann auf der anderen Straßenseite graue Hochhausblöcke stehen. Denn auf der unbebauten, etwa 2,1 Hektar großen Fläche zwischen der Möllner Landstraße und der Straße Am Sportplatz plant die Stadt das Bauprojekt "Altes Gleisdreieck". 160 Wohnungen sollen dort entstehen, die Hälfte davon gefördert (wir berichteten). Dagegen formiert sich jetzt Widerstand. Allen voran: Anwohner Riedinger.

"Jetzt versucht die Politik etwas umzusetzen, ohne auch nur einmal uns Anwohner zu fragen", entrüstet sich der 63-Jährige, der an der Straße Am Sportplatz lebt. "Dieses Wäldchen muss bleiben. Es ist eine der letzten grünen Lungen innerhalb der Stadt." Der Unternehmensberater hatte deshalb seine Nachbarn in der vergangenen Woche zu einer Versammlung eingeladen. Aus der geteilten Wut wuchs schnell eine Bürgerinitiative. 100 Anwohner seien mittlerweile beteiligt. Diese kritisieren nicht nur den wegfallenden Baumbestand, sondern auch die Dimension des Projekts. "Glinde wächst immer weiter und das überproportional", sagt Riedinger. Waren es 2011 noch 16 421 Einwohner, zählt Glinde mittlerweile 2000 Bürger mehr. "Ein Neubaugebiet zieht Familien an, für die neue Kitaplätze geschaffen werden müssen", sagt Riedinger. "Die Stadt ist schon verschuldet genug. Ab einem gewissen Punkt muss doch Schluss sein." Dieser sei nun erreicht.

Glinde muss Sozialwohnungen schaffen

Doch auf Wachstum kommt es der Stadt nicht an. Weil in vier Jahren die Mietpreisbindung von 442 der insgesamt 593 Sozialwohnungen in Glinde entfällt, muss schnell neuer Wohnraum für sozial schwache Haushalte her. Zudem hat das Land Schleswig-Holstein ein Sonderprogramm für geförderten Wohnraum im Hamburger Randgebiet aufgelegt. Die Projekte müssen bis Ende 2014 planungsrechtlich angelaufen sein, damit die Stadt sich für die Förderung qualifiziert. Jetzt hat die Glinder Politik es eilig: Bereits am 22. Mai soll die Stadtvertretung über den städtebaulichen Vertrag abstimmen, im Oktober soll der Satzungsbeschluss folgen.

Dass Glinde neue Sozialwohnungen braucht, könne er verstehen, sagt Riedinger. "Aber in den vergangenen Jahren gab es mit der Alten Wache und dem Baugebiet Olande genug Möglichkeiten, diese zu schaffen. Schließlich weiß die Verwaltung nicht erst seit gestern, dass die Sozialwohnungen ab 2018 nicht mehr günstig bleiben." Die Politik verbaue die Zukunft der Stadt, sollte man ihr Wachstum nicht eindämmen. Deshalb hat Riedinger als Sprecher der Bürgerinitiative einen ausführlichen Fragenkatalog an Bürgermeister Rainhard Zug erstellt. Darin formuliert er vor allem Fragen zum geplanten Bauvorhaben, den Auswirkungen auf die Umwelt und den Verkehr.

Zug war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Diese wird er der Bürgerinitiative und allen Interessierten spätestens am Dienstag, 18. März, geben. Dann beruft die Verwaltung im Bürgerhaus, Markt 2, um 19 Uhr eine Einwohnerversammlung zu dem Bauprojekt ein.