Gebärdendolmetscher: Gehörloses Ehepaar kämpft für sein Recht auf Teilhabe

Ob Einkauf, Schulfest oder Volkshochschulkursus - für Bettina (33) und Andreas Müller* (43) steckt der Alltag voller Hindernisse. Denn die beiden Oststeinbeker sind gehörlos. Was das bedeutet, können Hörende sich kaum vorstellen.

"Wenn ich in der U-Bahn sitze oder bei der Arbeit bin, bekomme ich von Gesprächen nichts mit", erläutert der Lagerist mithilfe einer Gebärdendolmetscherin. "An uns gehen ganz viele Informationen vorbei." Auch seine Kollegen hätten ihm ganz viel voraus. Erst wenn er mit ihnen Kontakt aufnimmt, erfährt er auch Neuigkeiten. "Wenn ich nach Hause komme, schalte ich den Fernseher ein. Die Tagesschau läuft bei uns mit Untertiteln", sagt Müller. Aber noch nicht einmal 50 Prozent aller Sendungen sind untertitelt.

Seit 17 Jahren lebt Andreas Müller in Oststeinbek. Als Single war er ein typischer Pendler: Eigentlich kam er nur zum Schlafen nach Oststeinbek. Sein Arbeitsplatz ist in Hamburg und seine Freizeit verbrachte er damals mit Freunden des Hamburger Gehörlosenverbandes.

Das habe sich alles grundlegend geändert, seitdem er eine Familie hat. Bettina und Andreas Müller heirateten 2006 und bekamen eine hörende Tochter. Sie besucht heute die Helmut-Landt-Grundschule. Ihre Mutter arbeitet als Küchenhilfe in Oststeinbek. Sie fühlt sich oft ausgeschlossen: "Am Volkshochschulkursus konnte ich nicht teilnehmen, selbst beim Weihnachtsfest der Schule nicht. Jeder Elternabend wird zum Problem. Dabei geht es dabei um Informationen für meine Tochter."

Im Sozialausschuss am Montagabend beantragte das Ehepaar, dass die Gemeinde die Kosten für ihren Gebärdensprachendolmetscher übernimmt. "Wir möchten einfach nur gleichgestellt sein und am Leben in Oststeinbek teilhaben", machte Andreas Müller deutlich. Er schätzt die jährlichen Kosten auf etwa 7000 Euro.

Die Politiker beschlossen einstimmig, dass die 350 Euro für den Dolmetscher auf dem Neujahrsempfang erstattet werden. Auf Vorschlag des Fraktionsvorsitzenden Hans-Jürgen Vorbeck (CDU) verwies der Ausschuss die Beratung über den Grundsatzbeschluss in die Lenkungsgruppe, die die freiwilligen Leistungen Oststeinbeks prüft. Damit sind die Müllers nicht einverstanden: "Es geht nicht um freiwillige Leistungen", macht Andreas Müller klar. "Die Teilhabe am kulturellen und sozialen Leben ist durch den Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz und in der UN-Menschenrechtskonvention festgeschrieben."

Dr. Oliver Tolmein, Fachanwalt der Kanzlei Menschen und Rechte, bestätigt dies im Wesentlichen. "Das Dilemma ist, dass es keinen klar formulierten Rechtsanspruch gibt. Er lässt sich aber aus den Gesetzen deutlich herleiten. Sollte die Gemeinde den Antrag ablehnen, empfehle ich dem Ehepaar, den Rechtsweg zu beschreiten - im Zweifel mithilfe einer Behindertenorganisation. Dieser Bereich ist einfach schlecht geregelt. Da brauchen wir eine Klarheit für beide Seiten."

* Namen geändert