Stadt Glinde und der Kreis Stormarn streiten darüber, wer für eine Lärmschutzwand zahlen müsste

Noch gibt die Bürgerinitiative (BI) "Lärmschutz K 80" ihre Hoffnung auf eine neue Lärmschutzwand an der Straße "Stübenkoppel" nicht auf. Wie jetzt bekannt wurde, könnte ihr ein Gutachten aus den 70er-Jahren weiterhelfen. Laut dem damaligen Vize- und späteren Bürgermeister Hans-Peter Busch hat es die Gemeinde Glinde mit Aufstellung des Bebauungsplanes für das Baugebiet "Stübenkoppel" in Auftrag gegeben. Das Problem: Weder beim Kreis noch beim Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr (LBV) Lübeck oder der Stadt Glinde ist es derzeit auffindbar.

Verschollenes Gutachten geht von viel weniger Verkehr aus

"Das damalige Gutachten ergab, dass das Wohngebiet keine Lärmschutzvorrichtung braucht", erinnert sich Busch. "Die Experten kamen zum Schluss, dass pro Tag nur 20 000 Fahrzeuge die K 80 passieren und sich die Immissionen für die Anwohner in zumutbaren Grenzen halten würden."

Nach Recherchen von Dagmar Coordts, Mitglied der Bürgerinitiative, könnte es sich dabei um ein Gutachten handeln, das 1975 von der Firma Dorsch Consult Hamburg erstellt worden war. "Der LBV Kiel hat ein solches Gutachten in seinem Schreiben an uns vom 29. August 2013 erwähnt", so Coordts.

Zu Buschs Erinnerungen passe auch ein Schreiben des damals zuständigen Straßenneubauamtes Ost in Eutin vom 6. Dezember 1979 an einen Nachbarn von Coordts Familie. Darin heißt es: "....die zu erwartende Lärmbelastung von dem vorläufig zweispurigen Tangentenring beträgt in Ihrem Falle ohne Schutzmaßnahmen: am Tage ca. 56 dB(A), nachts ca. 48 dB(A)."

Experte: Altes Gutachten kann Anwohnern Recht geben

Diplom-Ingenieur Björn Heichen von der Firma "LairmConsult" prüft als Sachverständiger derzeit, ob diese Hinweise in ein neues Gutachten aufgenommen werden können. Heichen: "Aus einem solchen Gutachten ließe sich eventuell doch noch die fehlgeschlagene Prognose ableiten." Das bedeutet, dass die Einschätzungen der Immissionsentwicklung von damals heute nicht mehr zuträfen und deshalb ein neuer Rechtsanspruch der Bürger auf Lärmschutz entstehe.

Heichen: "Heute ist die Lärmbelastung ohne Lärmschutzwand mehr als zehn dB(A) höher." Für eine fehlgeschlagene Prognose reichten schon drei dB(A) aus.

Wer aber müsste demnach eine neue Lärmschutzwand bauen?

Die K 80 wurde eher geplant als das Wohngebiet. "Und somit steht die Stadt Glinde und nicht der Kreis Stormarn in der Pflicht, für Lärmschutz zu sorgen", erklärt Elina Schneider vom Fachdienst Planung und Verkehr der Kreisverwaltung. "Glinde hat vor Aufstellung des Bebauungsplans weder an einen Lärmschutz gedacht, noch einen dementsprechenden Vorbehalt eingeräumt", argumentiert Schneider. Somit sei der Kreis von allen rechtlichen Verpflichtungen gegenüber den Bewohnern der Stübenkoppel frei. Neue rechtliche Verpflichtungen des Kreises könnten sich erst dann ergeben, wenn der Kreis an der K 80 etwas baulich verändere.

Seltsam nur, dass sich der Kreis in den Jahren 1980 bis 1983 dennoch finanziell am Bau der damals 55 000 DM teuren Lärmschutzwand beteiligt hat. Zudem tritt der Kreis in Kaufverträgen von Grundstückeigentümern als derjenige auf, der einen Lärmschutzwall errichten soll.

Alte Kaufverträge benennen Kreis als zuständige Instanz

Laut den Kaufverträgen verpflichten sich die Käufer, einen Teil ihres Grundstückes für die Aufschüttung eines Lärmschutzwalls zur Verfügung zu stellen und im Gegenzug dafür eine finanzielle Entschädigung zu erhalten, dessen Höhe der Gutachterausschuss des Kreises Stormarn bestimmen sollte. "Diese Verträge kenne ich nicht. Alles, was damals der Kreis übernommen hat, geschah rein freiwillig", betont die Sachbearbeiterin Elina Schneider.

Stadt Glinde will sich nun rechtlich absichern

Bürgermeister Rainhard Zug dagegen sieht den Kreis weiterhin mit im Boot. "Der damals zwischen der Stadt Glinde und dem Kreis Stormarn privatrechtlich geschlossene Vertrag bezeichnet den Bau einer Lärmschutzwand eindeutig als eine Gemeinschaftsaufgabe", sagt Zug.

Von einem Gutachten Mitte der 70er-Jahre habe auch er keine Kenntnis.

Für die rechtliche Prüfung der ganzen Angelegenheit, wer nun für den Bau einer Lärmschutzwand verantwortlich wäre, habe er jedoch Kontakt mit einem Büro aufgenommen. Mehr wolle er derzeit nicht zu dem Thema sagen.

Bürgermeister Zug sieht die Stadt Glinde lediglich in der Pflicht, den Zaun an der K 80 instand zu halten. "Das wären aber nur Ausbesserungsarbeiten", betont er. Und die will so wirklich niemand. Dagmar Coordts: "Das bringt uns ja auch keinen Lärmschutz."