Familiendrama: Glinder reagieren schockiert auf Bluttat - Vater in Psychiatrie eingeliefert

Der 38-Jährige sitzt auf dem Rücksitz des silbernen Golfs, seine Hände in der rot-weiß gestreiften Jacke vergraben. Der Kopf von Fardeen A. ist gesenkt, der Zahnarzt hat den Blick leer auf seine Knie gerichtet. Kurz vor 14 Uhr verlässt das Zivilfahrzeug der Lübecker Mordkommission das Gelände der Polizeizentralstation Reinbek. Eine Ecke weiter, packen die Polizisten das mobile Blaulicht aufs Dach. Der erfolgreiche Zahnarzt aus Glinde wird mit Sonderrechten nach Neustadt gebracht, dort auf Antrag der Staatsanwaltschaft Lübeck in die psychiatrische Klinik eingewiesen. Die geschlossene Abteilung wird der Mann wohl so schnell nicht mehr verlassen. Oberstaatsanwalt Günter Möller sagte gestern, nachdem Fardeen A. von einem Psychologen erstuntersucht wurde: "Er hat eine schwere psychische Erkrankung und ist eine Gefahr für die Allgemeinheit."

Bereits am Vormittag durchsuchen Kripo-Beamte auch die Zahnarztpraxis von Fardeen A. am Herzog-Carl-Friedrich-Platz in Bergedorf. Die Angestellten werden von der Nachricht völlig überrascht, sind fassungslos und wollen "lieber nichts dazu sagen". Eine Patientin beschreibt den Arzt als besonders sanft, freundlich und einfühlsam: "Er hat mir die Angst vorm Zahnarzt genommen".

Unterdessen hat sich die Nachricht über das grausame Familiendrama am Glinder Kreuzweg am Freitagnachmittag herumgesprochen wie ein Lauffeuer. Am Kreuzweg, um den Tatort, herrscht bei den Nachbarn völlige Fassungslosigkeit. "Es war eine nette, völlig unauffällige Familie", erzählt Wolfgang Borkenhagen. Sein Grundstück grenzt auf der rechten Seite direkt an das gepflegte Einfamilienhaus, das gestern rasch mit rot-weißem Polizeiband abgesperrt wurde, um Schaulustige fernzuhalten.

"Es waren zwei fröhliche Kinder. Die Kleine war oft auf ihrem Roller unterwegs. Mal flog ein Ball über den Zaun, dann kamen wir ins Gespräch." Sonst habe die Familie, die erst vor einigen Jahren in die 70er-Jahre-Einzelhaussiedlung zugezogen sei, wenig Kontakt mit den Nachbarn gehabt. Borgenhagen: "Man hat sich gegrüßt, ein wenig Smalltalk gemacht, mehr aber nicht. Wir wussten, dass Herr A. aus Afghanistan kam, aber sie waren von deutschen Familien nicht zu unterscheiden."

Die meisten Menschen, die sich neugierig und vielfach schockiert an der Polizeiabsperrung vor dem Haus versammeln, kennen die Familie nicht näher. "Trotzdem ist das ja besonders schockierend, wenn so etwas in der Nachbarschaft passiert", sagt Erika Lose. Und nicht nur die Rentnerin beschäftigt die Frage: "Warum nur? Was steckt bloß hinter dieser Tat? In der Kita "Zwergenwache" werden am Nachmittag die Eltern über den Mord an der vierjährigen Celina aus der Gruppe "Zauberzwerge" informiert.

Gegenüber der Presse will sich Kita-Leiter Lasse Kruck nicht äußern: "Wir sind alle tief betroffen und trauern", sagt er erschüttert.

In der Grundschule Wiesenfeld mit 275 Kindern, in die ihr zwei Jahre älterer Bruder im vergangenen Sommer eingeschult wurde, wissen viele noch gar nicht von der entsetzlichen Tat. Schulleiter Klaus Willenbücher und einige Lehrer werden vom Kriseninterventionsteam des Kreises Stormarn mit der Schulpsychologin, mit Pastorin Barbara Schöneberg-Bohl aus Reinbek und Pastor Michael Galle aus Wentorf informiert. "Ich bin so traurig", sagte Willenbücher. Er selbst habe den kleinen Jungen nicht unterrichtet.

Die erste Klasse wird am Montag von ihrer Klassenlehrerin erfahren, dass ihr Mitschüler nicht wiederkommt. "Die Umstände seines Todes werden wir nicht erzählen", sagt Willenbücher. "Das ist für die Schüler schon schwer genug. Wir wollen eine Ecke zu seinem Gedenken im Klassen- oder Gruppenraum einrichten, wo die Kinder Zeichnungen oder andere Dinge für ihn ablegen können. Vielleicht stellen wir ein Bild auf."

Das Kriseninterventionsteam wird den Lehrern bei Bedarf zur Seite stehen. Willenbücher will auch beim Glinder Pastor Sören Neumann-Holbeck anfragen, ob und wie er helfen kann. "Wir müssen gucken, welche Fragen und Reaktionen von den Schülern auf uns zukommen", sagt der Schulleiter.