Ausstellung über das Kurbelwellenwerk in Glinde will auch offene Fragen zur Zwangsarbeit klären

Geschichtsinteressierte Glinder können sich auf eine Ausstellung freuen, die der Archivar Dr. Carsten Walczok in Kooperation mit dem Glinder Hobby-Historiker Heinz Juhre und dem Diplom-Ingenieur Gerrit Oswald zurzeit plant. Die drei Männer wollen den Bogen spannen von der Stadt- zur Industriegeschichte Glindes am Beispiel der ehemaligen Kurbelwellenwerke, die sich auf dem heutigen Gelände der Firma Honeywell befanden. Wer den drei Organisatoren zuhört, merkt schnell, dass viel Geschichtswissen und technischer Sachverstand aufeinandertreffen, dazu jede Menge Interesse an noch offenen Fragen zur Geschichte Glindes.

Das Kurbelwellenwerk Hamburg, kurz "Ku-Ha", wurde 1935 als Zweigbetrieb der Friedrich Krupp AG aus Essen gegründet und 1943 erweitert. Das Unternehmen stellte Kurbelwellen her und war einer der wichtigsten Zulieferer der deutschen Luftfahrtindustrie.

Heute ist jedoch auch bekannt, dass die Nationalsozialisten in den Jahren von 1942 und 1945 etwa 2500 bis 3000 Zwangsarbeiter für das Werk in Baracken im so genannten Lager Wiesenfeld untergebracht haben - Ukrainer, Polen, Niederländer, Franzosen, Belgier und Italiener. Bis April 1945 wurde in dem Werk produziert. Nach Kriegsende war es von den Engländern besetzt, die 1953 das Werk demontierten und leere Hallen zurückließen.

Gemeinsam mit Bürgermeister Rainhard Zug hat sich Walczok kürzlich auf die Reise nach Essen gemacht. Die Männer sind sehr nett empfangen worden, haben der Villa Hügel und dem Krupp-Museum einen Besuch abgestattet. "Wir haben Eckbert von Bohlen und Halbach, Urenkel des Stahlindustriellen Alfred Krupp, kennengelernt", berichtet der Archivar. "Wir wollen in der Ausstellung die Eigentümer der Werke, die ja Geschichte in Glinde geschrieben haben, einbeziehen", erklärt Zug. "Durch den Kontakt zur Familie Krupp haben wir jetzt die Möglichkeit, neue Aspekte der Geschichte Glindes zu erforschen." Deshalb haben sie von Bohlen und Halbach auch zur Ausstellungs-Eröffnung eingeladen.

"Der Name Krupp ist allgemein bekannt in Deutschland und ich freue mich, dass ich jetzt Eckbert von Bohlen und Halbach persönlich kennengelernt habe", sagt Walczok. Besonders gespannt ist er auf Exponate aus dem Hause Krupp, die von Bohlen und Halbach der Stadt Glinde in Aussicht gestellt hat.

Die Kurbelwellenwerke haben ganz entscheidend zur Entwicklung Glindes auf dem Weg zur Stadt beigetragen. Bei Baubeginn der Werke 1936 lebten in dem damals noch kleinen Ort gerade einmal 400 Einwohner. Innerhalb weniger Jahre kamen dann bis zu 6000 Arbeiter dazu. Glinde wuchs.

"Die Planung und der Bau des Lagers Wiesenfeld, in dem viele der Arbeiter lebten, ist wichtiger Teil der Ausstellung", erklärt Heinz Juhre. In den 80er-Jahren hatte er bereits den ersten Anlauf genommen, mehr über das Lager zu erfahren, blieb damals allerdings erfolglos. Dank der Möglichkeit, im Internet Luftbilder aus speziellen Datenbanken mit historischem Bildmaterial zu beschaffen, hat sich die Situation heute sehr verändert. "Wir haben detaillierte Bilder erhalten, auf denen vieles zu erkennen ist", sagt Gerrit Oswald. Er ist Modellbauer und steuert 18 Modelle von Flugzeugen bei, die in der Ausstellung gezeigt werden. Als besondere Leihgabe hoffen die Initiatoren noch auf eine Original-Flugzeugkurbelwelle aus dem Luftfahrtmuseum in Berlin, die in Glinde gefertigt wurde.

Die Ausstellung soll Besucher zum Austausch anregen. Für ehemalige Lagerarbeiter und deren Angehörige besteht so die Möglichkeit, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. "Es ist ein Kapitel, das in vielen Familien nach Kriegsende verdrängt oder verschwiegen wurde", weiß Juhre. Bis heute ist noch vieles unbekannt über das Lager, vor allem über die zahlreichen Zwangsarbeiter. Wo und wie genau sie lebten, ist nicht geklärt. Deshalb hoffen die Organisatoren jetzt auch auf neue Antworten auf viele offene Fragen.

Die 14-tägige Ausstellung wird am Freitag, 31. Januar, 19.30 Uhr, im Bürgerhaus, Markt 2, eröffnet.