Prozess: 19-Jähriger überfährt Seniorin - Gericht verurteilt ihn zu 150 Sozialstunden

Betreten blickte Mohammed K. (Name geändert) zu Boden. Der 19-jährige Glinder wirkte erschöpft und sprach mit kaum hörbarer Stimme: "Plötzlich stand sie auf der Straße, ich habe sie viel zu spät gesehen", erklärte er angespannt. Gestern musste sich der türkischstämmige Deutsche wegen fahrlässiger Tötung vor dem Jugendschöffengericht in Reinbek verantworten. Der Tatvorwurf: Am 22. März dieses Jahres soll der damals 18-Jährige mit Tempo 80 viel zu schnell über die Möllner Landstraße gefahren sein und die 74-jährige Rentnerin erfasst haben, die gerade die Straße überquerte. Laut Obduktionsbericht erlitt die Glinderin diverse schwerste Verletzungen. Sie hatte keine Chance und starb trotz zahlreicher Ersthelfer noch am Unfallort.

Mohammed K. war gestern blass im Gesicht. Man sah ihm die Last der Schuld an, die er seit dem tragischen Unglück vor fast neun Monaten zu tragen hat. Er entschuldigte sich zuerst bei dem Nebenkläger und Sohn der Verstorbenen, und versuchte auch nicht das, was er zu verantworten hat, zu beschönigen. "Ich hatte zuvor einen Streit mit meinen Eltern. Es ging darum, dass ich nicht mit Geld umgehen kann", sagte der 19-Jährige. Noch am selben Abend habe er in seinem Job als Restaurant-Fahrer gearbeitet, sei gegen 19.30 Uhr von einer Lieferung zurückgekehrt. "Ich war immer noch in Gedanken wegen des Streits und habe nicht gemerkt, wie schnell ich gefahren bin." Die hellen Scheinwerfer eines entgegenkommenden Pkw hätten ihn geblendet, dann habe er plötzlich die Rentnerin (74) auf der Straße gesehen und eine Vollbremsung gemacht - vergebens.

Die Beweislast gegen den jungen Angeklagten schien zunächst erdrückend. Denn wie die Lübecker Staatsanwältin Laura Martens ausführte, sei es am Unfallabend zwar schon dunkel und kalt gewesen. "Doch die Straße war weder vereist, noch verschneit." Auch seien am dem Pkw, einem VW Polo, keine Mängel festgestellt worden. "Hätte der Angeklagte die erlaubten 50 Stundenkilometer eingehalten, wäre er rechtzeitig zum Stehen gekommen - der Unfall wäre nicht passiert", betonte auch Unfallanalytiker Dennis Stüven von der Dekra.

K. ließ die Vorwürfe mit gesenktem Kopf über sich ergehen. Erzählte, er habe in Folge des Unfalls psychische Probleme bekommen und nicht mehr schlafen können. "Die schrecklichen Bilder kamen immer wieder." Er habe seine Ausbildung zum Elektroniker deshalb abgebrochen. Die Folge waren 3000 Euro Schulden.

Trotz der offensichtlichen Schuld von K. fiel das Urteil für ihn gestern vergleichsweise milde aus: "Ich verhänge 150 Stunden gemeinnützige Arbeit, fünf pädagogische Beratungsgespräche und eine Verwarnung", trug die Richterin Ute Schulze-Hillert vor. Strafmildernd hielt ihm das Gericht zugute, dass er sich nicht unter Alkohol- oder Drogeneinfluss hinter das Steuer gesetzt hatte. Dass er das Urteil für angemessen hielt, machte der Sohn des Opfers deutlich: "Viel wichtiger war mir, dass dem jungen Mann bewusst ist, welche Folgen sein Fehlverhalten hatte."