Prozess: Handydaten und Abhörprotokolle belasten 22-jährigen Angeklagten

Ist es der Höhepunkt eines Rosenkrieges? Rache aus Eifersucht? Oder alles nur ein Missverständnis, und der falsche Verdächtige sitzt auf der Anklagebank? Seit gestern muss sich vor dem Schöffengericht Reinbek ein 22-jähriger Metallbautechnikstudent aus Barsbüttel verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, am 15. April 2012 mit Sprengstoff den Wagen des Freundes seiner Ex-Freundin in die Luft gejagt zu haben.

Der BMW brannte in der Nacht gegen zwei Uhr in der Straße Thorkoppel vollkommen aus. Durch die Hitzeentwicklung und herumfliegende Glas- und Metallteile wurden zudem ein weiteres Fahrzeug und ein Wohnhaus beschädigt - Schaden: rund 10 000 Euro. "Es hat sich angehört, als wenn eine Übungshandgranate in einem gedämmten Raum explodiert ist", erinnert sich ein 69 Jahre alter Anwohner, der damals geistesgegenwärtig hinausrannte und mit seinem Gartenschlauch versuchte, den Brand zu löschen.

Roman K., gut gekleidet mit anthrazitfarbenem Anzug, weinrot-weiß gestreiftem Hemd und Lackschuhen, versucht vor Gericht einen guten Eindruck zu machen. Er will unbedingt aussagen: "Ich kann den Abend nicht mehr rekonstruieren, wir haben viel getrunken, aber ich hab das nicht gemacht, ich hatte dafür ja auch gar keinen Grund. Ich finde es blöd, dass hier mit dem Finger auf mich gezeigt wird. Ich habe eine Freundin, schreibe gute Noten." Auch sei er zur Tatzeit gar nicht in Barsbüttel gewesen. Das belege auch ein Handyfoto, das er dem Gericht vorlegt.

Doch nach und nach bröckelt seine Aussage, Zeugen berichten von einer gestörten Liebesbeziehung. Immer wieder sei es zwischen ihm und seiner Freundin zu Auseinandersetzungen, auch Handgreiflichkeiten gekommen. Und im Verlauf des gut sechsstündigen Prozesses wird deutlich: K. steht nicht zum ersten Mal im Verdacht, seine Wut über das Aus der Beziehung an einem Auto ausgelassen zu haben. Bereits zwei Mal soll er den Wagen seiner Ex-Freundin mutwillig zerstört haben - "aber uns fehlten die Beweise", erzählt die 21 Jahre alte Ex-Freundin vor Gericht. Schon kurz nach Ende der Beziehung fand sie ihren Wagen zerkratzt, mit dem Wort "Bitch" (Schlampe/Miststück) vor. Monate später, als sie einen neuen Freund hat, belagert er dessen Haus, will mit ihr sprechen. Kurz darauf, sind bei ihrem Auto die Scheiben eingeschlagen, Außenspiegel abgetreten, wieder ist der Lack zerkratzt. Vor Gericht einigten sich beide später darauf, den anderen nicht mehr zu kontaktieren, die Häuser im Umkreis von 20 Metern zu meiden.

Beamte orten Handy des Angeklagten nahe des Tatortes

Doch daran hat sich K. möglicherweise nicht gehalten. Gestern konnte ein Beamter des Landeskriminalamtes Kiel beweisen, dass das Handy des Angeklagten um 1.53 Uhr - zur Tatzeit - nahe des Tatortes an der Straße Thorkoppel geortet werden konnte. "Mit den Daten des Providers konnten wir feststellen, dass um diese Zeit die Mailbox aktiviert wurde, die Geodaten gaben einen Sendemast in der Mitte Barsbüttels an", sagt der LKA-Beamte, der auch Sprengstoffexperte ist. Er beschreibt auch die zerstörte Bodenplatte des Wagens. Einen 40 Zentimeter langen und sechs Zentimeter breiten Riss habe die Explosion hineingerissen. "Ein Indiz, dass wir es mit Explosivstoffen zu tun haben, anhand der Splitter gehen wir davon aus, dass es gewerblich-militärischer Sprengstoff war."

Bei den Hausdurchsuchungen habe die Polizei jedoch keine Anhaltspunkte darauf gefunden. Dafür wiegen aber Handy-Abhörsequenzen des LKA, das noch wochenlang nach der Tat die Telefone des Angeklagten und drei seiner Freunde anzapfte, die vermutlich bei der Tat dabei waren, schwer: Nicht nur, dass sich die jungen Männer über ihre Aussagen bei der Polizei absprachen - auch war gestern beim Abspielen der Aufnahmen von einem der Beteiligten zu hören: "Es ist mir egal, was mit K. ist, ich rette meinen Arsch... Was K. da mit dem Auto gemacht hat, ist mir scheißegal." Für Staatsanwalt Hans-Peter Lofing genügend Anhaltspunkte, um K. den Prozess zu machen. K.s Verteidiger jedoch will am 20. November (9 Uhr) noch drei Zeugen im Amtsgericht Reinbek anhören. K. muss nach Paragraf 308 des Strafgesetzbuches wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr rechnen.