Hormonstörung sorgt für quälende Wucherungen

"Ein Perückenbock ist wirklich etwas ganz Seltenes", sagt Siegmund Meier (68), Jagdbeauftragter in Glinde. Deshalb hat er den Kopf des Tieres, das er 2012 am Kupfermühlenweg geschossen hat, sehr aufwendig präparieren lassen. Das hat Walter Söhl, ein erfahrener Präparator, übernommen.

"Die Knochenmasse wird nicht hart wie bei einem Gehörn, sondern bleibt weich. Sie wuchert in alle Richtungen, und das Tier kann den Bast nicht abfegen", erläutert Söhl (63). Die "Perücke" hat er zu einem Spezialisten nach Österreich geschickt. Dort wurde sie bei minus 180 Grad gefriergetrocknet. "Das dauert tatsächlich vier Monate", berichtet Söhl. In seiner mehr als 30-jährigen Präparatorenlaufbahn ist ihm nur dreimal ein solches Tier untergekommen.

"Das ist ein Glück", betont Siegmund Meier. Denn dem etwa vier Jahre alten Reh ging es nicht gut. "Die Wucherung verdeckte das linke Auge, ein Hinterlauf war gebrochen und schief zusammengewachsen", sagt der Jäger. Die Perücken-Wucherung wurde durch eine starke Hormonstörung verursacht: "Der Bock hatte keine Hoden. Er muss sehr früh eine schwere Verletzung erlitten haben", sagt Meier - und es ist nicht zu übersehen, dass ihm das Leid zu Herzen geht.

Für eine gute Schussposition war der Jäger dem Tier 15 Mal auf der Spur. "Anwohner haben mich immer wieder angerufen, weil ihnen das Tier leid tat. Aber einmal war der Bock schon weg, dann waren dort Spaziergänger oder Kinder unterwegs. Irgendetwas war immer. Erst am15. April stand er dann so auf dem Wall, dass ich sicher sein konnte, ihn perfekt zu treffen." Eine Grundvoraussetzung für den erfahrenen Jäger, der als Jagdmeister in Rosengarten und im Wildpark Schwarze Berge viele angehende Jäger ausgebildet hat.

In Glinde ist Meier seit 16 Jahren für das Wild zuständig, und im Stadtgebiet gibt es fast alles. "Wir haben Dachse. Einen Bau teilen sich sogar Fuchs und Dachs. Wir haben Hasen, Kaninchen, zwischen 20 und 30 Rehe, Marderhunde, Waschbären, Iltis, Marder und Wiesel. Auch mal Wildschweine und ein Stück Damwild. Nur Rotwild, das verläuft sich wirklich nicht nach Glinde."