Esther Bejarano: 88-jährige Holocaust-Überlebende rappt gegen Rechts

Sie wird nicht müde. Auch mit ihren 88 Jahren nicht. Esther Bejarano ist eine der letzten Holocaust-Überlebenden des Mädchenorchesters aus dem Konzentrationslager Auschwitz. Gerettet hat sie damals die Musik und die ist es auch, mit der sie bis heute ihren Protest gegen das Vergessen, Rassismus und Ausgrenzung ausdrückt. Seit 2009 bedient sie sich sogar einer Musikrichtung, mit der eine Dame ihres Alters wohl eher nicht in Verbindung gebracht wird: HipHop.

Zusammen mit den Kölner Rappern der "Microphone Mafia" kommt die jüdische Sängerin, die im Hamburger Stadtteil Groß Borstel lebt, am kommenden Sonnabend ins Glinder Marcellin-Verbe-Haus. Es ist der Abschluss der bunten Aktionswoche gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, die die Bürgerinitiative "Glinde gegen Rechts" und das Parteienbündnis anlässlich ihres zweijährigen Widerstands gegen den rechten Modeladen an der Möllner Landstraße veranstalten.

"Wir freuen uns unglaublich, dass sie kommt. Esther Bejarano ist eine beeindruckende Frau mit einer wahnsinnigen Ausstrahlung", schwärmt Niels Brock von der Bürgerinitiative Glinde gegen Rechts, der die Sängerin vergangenen Sommer selbst auf der Bühne in Hamburg erlebte. "Sie kam rein, eine kleine Frau, mit kurzen weißen Haaren, und mit so viel Power." Brock hofft, dass sie auch in Glinde viele Bürger - vor allem Jüngere - anlocken, mitreißen und zum Nachdenken anregen wird.

Bejaranos Protest begann 1979, als vor ihrem Eimsbütteler Geschäft ein paar Nazis einen Stand aufstellten und Polizisten die Männer vor Gegendemonstranten schützten. Da erzählte sie einem der Männer, das sie in Auschwitz war, es folgte eine Auseinandersetzung. Am Tag drauf trat sie in die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes ein. 1986 gründete sie zusammen mit anderen Überlebenden das deutsche Auschwitz-Komitee und besucht bis heute Schulen, um ihre Geschichte zu erzählen - so wie 2010 einer neunten Klasse in der Gemeinschaftsschule Wiesenfeld in Glinde. Sie berichtet davon, wie sie 1941 ins Zwangsarbeitslager bei Fürstenwalde kam und wie ihr zwei Jahre später im Vernichtungslager Auschwitz die Nummer "41948" auf den Arm tätowiert wurde. Sie erinnert sich, wie sie tagtägliche schwere Steine schleppen musste, der Gaskammer aber entkam, weil sie Akkordeon spielen konnte und im Mädchenorchester des Lagers aufgenommen wurde. Das Orchester hatte die Aufgabe, zum täglichen Marsch der Arbeitskolonnen durch das Lagertor aufzuspielen - auch wenn die Züge unzählige Juden direkt zu den Gaskammern fuhren. Ein Erlebnis, das sie heute noch belastet und von dem sie dennoch berichtet - mal lesend, mal singend. Wie mit der Kölner Hip-Hop-Combo "Microphone Mafia".

Zusammen mit den Rappern Kutlu Yurtseven und Rossi Pennino singen sie mal auf Deutsch, mal auf Türkisch, mal auf Italienisch und Kölsch. Ein einzigartiges Bandprojekt, das drei Generationen und drei Religionen verbindet. Der Abend in Glinde soll nachdenklich machen und anrühren, durch Bejaranos Berichte aus Auschwitz. Gleichzeitig wird aber auch stimmungsvoller melodiöser Deutsch-Rap präsentiert.

Die Lesung aus ihrem Buch "Erinnerungen. Vom Mädchenorchester in Auschwitz zur Rap-Band gegen Rechts" beginnt am Sonnabend um 19.30 Uhr (Einlass ab 18.30 Uhr). Ab 20 Uhr ist sie mit der "Microphone Mafia" zu hören. Der Eintritt ist frei.

Aktionswoche: Unter dem Motto "Der Dreck muss weg" stellt die BI heute um 17 Uhr vor dem Tønsberg-Laden an der Möllner Landstraße eine "Entsorgungsstation für Nazikleidung" auf.