Bündnis 90/Die Grünen: Gründer erzählen von Volkszählung, Transrapid und Gesamtschule

Ohne die Empörung über die Volkszählung 1983 würde es die Glinder Grünen vielleicht nicht geben. Aber es gab die Zählung und viele Menschen, die gegen den gläsernen Bürger protestierten. Aus der Boykott-Initiative entstand der Ortsverband der Grünen, der heute in der Spinosa sein 30-jähriges Bestehen feiert.

Neun "Realos", unter ihnen Susanne Böhnert-Tank und Wolf Tank, trafen sich am 26. Mai 1983 in der Kneipe "Zum Rödenbrook", Königsberger Straße, um den Ortsverband ins Leben zu rufen, belegt das Gründungsprotokoll. Gefeiert wird übrigens erst heute, weil am exakten Gründungstag die aktuelle Kommunalwahl über die Bühne ging.

"Wir waren uns von Anfang an einig. Nur gegen die Volkszählung zu sein, reicht nicht. Ziel war die Stadtvertretung", sagt Susanne Böhnert-Tank (61). "Wir wollten mehr, als uns außerparlamentarisch zu organisieren, und haben uns schnell auf die Wahl 1986 vorbereitet", berichtet Wolf Tank (65). Gemeinsam mit Einar Heißler, der später in die SPD wechselte, zog er 1986 ins Stadtparlament ein. "Wir wurden ziemlich misstrauisch beäugt, haben Seminare besucht zu Finanzen, Baurecht und zur Geschäftsordnung. Wir mussten viel lernen", erinnert sich Tank und lacht. Seine Frau unterstützte die beiden zuerst als wählbare Bürgerin, ab 1991 ebenfalls als Stadtvertreterin. "Damals bescherte uns der Transrapid zwei zusätzliche Mandate", erinnert Wolf Tank, der seit 1986 ununterbrochen Mitglied und damit aktuell der Dienstälteste in der Stadtvertretung ist. Für ihn war und ist das kommunalpolitische Engagement wichtig: "Es war spannend und interessant - auch die eigene Entwicklung in Beruf und Politik zu sehen."

Nach Höhepunkten gefragt, kommt bei beiden "die Gründung der Integrierten Gesamtschule" (IGS) wie aus der Pistole geschossen. "Dabei waren wir uns einig mit der SPD und haben die IGS - gegen den Willen von CDU und Bürgermeister Busch - durchgesetzt", erinnert sich Gymnasial-Lehrerin Susanne Böhnert-Tank. Wichtig seien auch die hauptamtliche Leitung der Volkshochschule und die Gleichstellungsbeauftragte gewesen. "Aber alles war wichtig und gehörte zum Tagesgeschäft, wie die Entwicklung von Wiesenfeld-Ost oder dem Depot-Gelände", sagt sie.

Was beide nicht verhehlen können, ist, dass sie immer ein Synonym für die Grünen in Glinde waren. "Es war schwer, eigenständige Themen für den Ortsverein zu entwickeln und Mitstreiter zu finden. Die Fraktion war auch der Ortsverein", sagt Susanne Böhnert-Tank, die lange Ortschefin war.

Trotzdem standen bei den Glinder Grünen genauso Themen wie Atomkraft mit Brokdorf und Krümmel, Waldsterben, Boehringer in Georgswerder, der Nato-Doppelbeschluss und vieles mehr auf der Agenda. Wolf Tank kandidierte zweimal für den Bundestag, seine Frau für den Landtag, war Landesvorsitzende und leitete die Koalitionsverhandlungen mit der SPD für die erste rot/grüne Koalition in Schleswig-Holstein.

Dieses Engagement hielt nicht an, aber das in der Stadtvertretung. Nun hat Susanne Böhnert-Tank erstmals Platz für neue Fraktionsmitglieder gemacht und freut sich auf die freie Zeit. Er macht mit sieben Mitstreitern, inklusive drei wählbaren Bürgern, als Fraktionschef weiter. "Es macht einfach Spaß", stellt er fest.

In jedem Fall haben sie heute etwas gemeinsam vor. Es wird ab 17 Uhr in der Spinosa, Schlehenweg 1 a, mit Weggefährten gefeiert. Darunter finden sich auch der ehemalige und der neue Bürgervorsteher, Vorsitzende anderer Glinder Parteien, grüne Nachbar-Ortsverbände, ein ehemaliger Bürgermeister und alle interessierten Bürger. "Auf Stellwänden kann man die Stationen der vergangenen 30 Jahre nachvollziehen", verspricht Ortschef Jan Schwartz. Mit ihm soll übrigens eine neue, mediale Zeit anbrechen. "Das haben wir in bisschen verschlafen." So werden nun politische Statements und Erklärungen bei Facebook gepostet. "Vielleicht gibt es bald W-LAN im Bürgerhaus, dann kann ich direkt aus der Sitzung berichten", sagt der Journalist. Eine neue Zeit eben.