Flüchtlinge: Mohammed Bilal lebt seit Anfang Juni in der Glinder Moschee - Er hofft auf Duldung

"Entweder du gehst aufs Boot oder du lässt dich erschießen - eine andere Wahl hatte ich nicht." Mohammed Bilal hat eine lange Reise hinter sich, die vor gut acht Wochen in Glinde endete - vorerst. Wie es für ihn und die anderen elf afrikanischen Flüchtlinge, die Mitglieder der Islamischen Gemeinde Anfang Juni in Hamburg aufsammelten (wir berichteten), weitergeht, ist ungewiss.

"Träume und Pläne habe ich nicht. Wie soll ich auch? Ich bin wie die anderen abhängig von den Behörden, der Politik. Und es geschieht nichts. Momentan bin ich einfach nur froh, dass ich einen Platz zum Schlafen habe, weg von der Straße bin."

Mohammed ist 23 Jahre alt. Seine Reise begann im Frühjahr 2011, kurz nach dem Ausbruch des Bürgerkriegs in Libyen. "Dort war Chaos, man fühlte sich nicht sicher. Schüsse, Tote. Ständig, überall. Entweder du gehst aufs Boot oder du lässt dich erschießen." Es ist der Satz, der immer wieder fällt, wenn Mohammed Bilal von seiner "Reise" erzählt. Seine Reise, die eine Flucht ist, über die der junge Mann aus Ghana ungern spricht. Auch, weil sie noch nicht zu Ende ist. Wie lange er und die elf weiteren Flüchtlinge aus Ghana, Mali, Elfenbeinküste, Niger und Nigeria noch in Glinde bleiben können, ist nicht absehbar, auch nicht, ob sie überhaupt in Deutschland bleiben können, ob sie nach Italien zurück müssen oder in ein anderes Land.

Nachts wacht er in dem kleinen Kellerraum der Moschee, den sonst die Jugendlichen der Islamischen Gemeinde nutzen, häufig auf. "Dann habe ich Flashbacks, von Libyen und von der Überfahrt." Rund 800 Euro hat Bilal dafür bezahlt, der vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs als Wanderarbeiteter sein Geld verdiente, als Koch in einem Restaurant. 350 Männer waren auf dem Boot, ein aus Plastik und Holz provisorisch zusammengezimmertes Floß. 28 Stunden auf dem Mittelmeer. "Ohne Wasser, ohne Essen, viel Angst, Streit und Aggressionen", erinnert sich Bilal. Auf die Frage, ob er schwimmen kann, antwortet er mit einem ironischen Lachen. "Es kann fast niemand schwimmen."

Fast genau zwei Jahre ist es her, als das Boot auf Lampedusa (Italien) strandete, dort wo fast täglich Flüchtlinge aus Afrika auf überladenen Kähnen ankommen. Mit der Hoffnung, in Europa ein besseres Leben zu finden. Für Bilal ist das Leben nun aber eine ständige Reise. In Italien wechselte er von Flüchtlingscamp zu Flüchtlingscamp, bis sie geschlossen wurden. "Von heute auf morgen waren wir auf der Straße, bekamen Geld, um nach Nordeuropa zu reisen, nach Deutschland", erzählt Bilal, der nun wie die anderen alle Hoffnungen auf den Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein setzt. "Der hat jetzt einen Rechtsanwalt eingeschaltet, er versucht für alle zwölf eine Duldung zu erreichen. Aber wir wissen nicht, wie lange das dauert", sagt Mustafa Tepe, Mitglied des Vorstandes der Islamischen Gemeinde Glinde, die sich täglich darum bemüht, dass für die Afrikaner genug Verpflegung vorhanden ist. "Wir müssen dafür sehr aktiv sein, bekommen aber auch starke Unterstützung von der Bürgerinitiative gegen Rechts."

Enttäuscht aber zeigt er sich über die Stadt und die Glinder Politik. "Bisher war das Interesse gering bis gar nicht vorhanden. Auch der Bürgermeister war noch nicht hier, um sich über die Situation zu informieren. Das könnte besser sein. Viele machen einen weiten Bogen um das Problemthema", sagt Tepe. Schön aber sei, dass seit einigen Tagen eine Krankenschwester aus Bergedorf medizinisch helfe. "Die Flüchtlinge haben keinen Anspruch auf medizinische Versorgung. Solche Unterstützung und Menschlichkeit ist beispielhaft", sagt Muhammed Tümkaya.

Der 22-jährige Reinbeker ist regelmäßig in der Moschee, hat auf dem Glinder Markt viele Bürger angesprochen, Flyer verteilt, um über das Schicksal der zwölf Männer aufzuklären, Spenden zu sammeln. "Erschreckend ist, wie viele desinteressiert reagieren", sagt Tümkaya enttäuscht, der sich mit vielen der Flüchtlinge angefreundet hat. "Auch für uns ist die Ungewissheit, was mit ihnen passiert, schwer. Wir hoffen, dass es bald eine Lösung für sie geben wird, sie nicht wieder zurückgeschickt werden in eine ungewisse Zukunft - das macht sie psychisch fertig."