Generationenwechsel: Enttäuschte wollen politischen Stammtisch gründen

Heiko Reimer war 45 Jahre Mitglied in der SPD. Hans-Peter Busch gehörte der CDU 42 Jahre an, Jürgen Richter zählte 37 Jahre zu den Christdemokraten. Das ist bei allen dreien vorbei. Jeder hat sein Parteibuch zurückgegeben. Unzufriedenheit, Generationenwechsel, nicht mehr gebraucht werden, sind die Gründe. Alle drei sind verletzt. "Differenzen mit dem Vorstand", sagt Heiko Reimer lakonisch. "Ich hätte noch einmal direkt kandidiert", sagt er. Mit Listenplatz fünf oder sechs wäre er einverstanden gewesen. Doch man habe ihm zwei Neulinge vor die Nase gesetzt. "Wenn man mich nicht mehr braucht, kann ich gehen", sagt er und schickte Frank Lauterbach, SPD-Ortschef, die Austrittserklärung. Lauterbach sieht das pragmatisch. "Er ist beleidigt, weil er bei der Kandidatur ums Direktmandat verloren hat", sagt er. "Wir brauchen jeden, aber er muss sich integrieren. Aber wenn es nur um Posten geht... Es ist doch erstaunlich, wie 'sehr' er mit der SPD verbunden ist", sagt Lauterbach.

Jürgen Richter, in der Ex-Stadtvertretung Bauausschussvorsitzender, bot statt zu kandidieren nach der Kommunalwahl seine Dienste als wählbarer Bürger (wB) an und bekam eine Abfuhr. "Wir brauchen dich nicht, wir haben genügend andere", habe es geheißen, berichtet er. "Ich sei zu alt für den wB, mit 74", sagt er, noch immer empört. "Eine klare Ansage bekommt eine klare Antwort, ich bin ausgetreten." Es laufe einiges quer in der CDU - auch in den Ortsvereinen der Umgebung.

Die Kommunalpolitik der CDU passt dem einstigen Bürgermeister von Glinde, Hans-Peter Busch, schon lange nicht mehr. "Ich kann mich schon seit zehn Jahren nicht mehr damit identifizieren. Deshalb bin ich ausgetreten. Ich werde mich politisch auch nicht mehr engagieren, arbeite nur noch im Stadtmarketing mit."

CDU-Ortsvorsitzender Dr. Rainer Neumann bedauert beide Austritte, sagt aber: "Es gibt einen Generationenwechsel. Meine Aufgabe als Ortsvorsitzender ist, dass sich Fraktion und Partei verjüngen. Der wählbare Bürger ist dafür da, dass Neulinge die Gelegenheit bekommen, sich einzuarbeiten und nichts für Altvordere", sagt er. Die Austritte seien menschlich verständlich, aber man könne auch den Ortsverband verlassen ohne gleich aus der CDU auszutreten, kritisiert er.

Heiko Reimer und Jürgen Richter orientieren sich nun neu. Dafür bietet Ursula Busch, Ex-CDU-Stadtvertreterin, eine Plattform. "Ich werde mit den beiden Herren eine Art Stammtisch, 'Kritische Glinder Bürger', gründen. Eigentlich kann jeder dabei sein, außer Kommunalpolitiker", erläutert sie. Am Montag, 5. August, treffen sich Interessierte um 19 Uhr beim Griechen am Markt. Danach soll es dort stets am ersten Montag im Monat eine Runde geben. "Wir wollen über alles Mögliche reden und natürlich alles im Blick behalten, was in der Glinder Politik läuft", sagt sie.

Heiko Reimer freut sich darauf und Jürgen Richter bedauert, genau am Gründungstag nicht dabei sein zu können. Auch Ex-Bürgervorsteher Eberhard Schneider (CDU) kann am 5. August nicht, will sich die Runde aber im September anschauen. Für Hans-Peter Busch ist das allerdings nichts. "Das ist nicht mein Weg", sagt er.