Ausstellung: Hobby-Historiker suchen Zeitzeugen, Dokumente und weitere Mitstreiter

Erst 2001 wurde im Erdgeschoss des Bürgerhauses eine Gedenktafel für die Opfer angebracht. Der Versuch, in den 1990er-Jahren ein Mahnmal für sie in der Stadt zu errichten, verlief hingegen im Sande.

Seitdem ist jedoch viel passiert. Historiker, die Reinbeker Geschichtswerkstadt, der Heimat- und Bürgerverein Glinde sowie interessierte Laien haben einiges herausgefunden, Archive haben sich geöffnet. Doch die Quellenlage ist nach wie vor schwierig. Eine Gruppe von Sympathisanten der Bürgerinitiative gegen rechts will die Ergebnisse jetzt zusammentragen und besser erforschen. Ihr Ziel: "Wir wollen die Erinnerung an das Arbeitslager wachhalten, bei einigen Glindern auch erst bewusst machen", sagt Hans-Jürgen Preuß. "Denn es geht nicht nur darum, gegen einen Modeladen zu demonstrieren. Es gibt schon jetzt ein dunkles Kapitel in unserer Stadtgeschichte." Das will die Gruppe aus bisher fünf interessierten Glindern beleuchten, damit jüngere Generationen und auch Neubürger mehr über die Geschichte erfahren können.

Mittlerweile ist bekannt, dass die Nationalsozialisten zwischen 1942 und 1945 etwa 2500 bis 3000 Zwangsarbeiter in Baracken in Wiesenfeld untergebracht hatten. Das Lager in Glinde war das größte von 17 in Stormarn. Nach einer Begehung mit Hobby-Historiker Heinz Juhre weiß die Gruppe: Es war sogar noch größer, als wir vorher annahmen. Strategisch günstig und versteckt gelegen, erstreckte es sich in etwa zwischen der Avenue Saint Sebastien und dem Gellhornpark. Die östliche Grenze war aber nicht etwa der Holstenkamp, wie die Arbeitsgruppe zuvor annahm, sondern die Baracken wurden noch darüber hinaus errichtet.

Ukrainer, Polen, Niederländer, Franzosen, Belgier, Italiener mussten im Kurbelwellenwerk der Firma Krupp, auf dem Gelände der heutigen Firma Honeywell schuften. Das Kurbelwellenwerk galt als "kriegswichtiger Betrieb", berichtet Preuß. Die Arbeiter des Werkes wurden jedoch eingezogen, mussten als Soldaten an die Front. Für sie brauchte das Unternehmen Krupp Ersatz. Deshalb wurden die Zwangsarbeiter teils von der Straße oder bei Tanzveranstaltungen weggefangen und nach Glinde verschleppt. Einigen ist es dennoch gut ergangen, sie landeten bei Bauern, die sie gut behandelten. Andere litten unbeschreiblich. "120 russische Gefangene waren nach einem halben Jahr verschwunden", berichtet Preuß. Christiane Langer bekräftigt: "Das war Vernichtung durch Arbeit und Hunger."

Ingeborg Stoller berichtet: "Die Zwangsarbeiter hatten einen sehr unterschiedlichen Status. Sie wurden je nach Nationalität besser oder schlechter behandelt." Das macht es den Forschern noch schwerer. Zwangsarbeiter aus Holland, Belgien oder Frankreich ging es noch vergleichsweise gut, berichteten Zeitzeugen. "Russen und Polen hingegen wurden wie Abschaum behandelt und durften überhaupt nicht ins Dorf", erläuterte Stoller.

Trotzdem hofft die Gruppe, dass einige ältere Glinder nach all den Jahren vielleicht jetzt bereit sind, zu erzählen was sie beobachtet und erlebt haben. Die Hobbyhistoriker treffen sich jeden zweiten Mittwoch um 16 Uhr im Gemeindehaus St. Johannes am Willinghusener Weg und sind zurzeit vor allem noch mit der Sichtung von Materialien beschäftigt. Für alte Dokumente oder Objekte aus dem Lager Wiesenfeld, die erst jetzt auf Großvaters Dachboden zum Vorschein kommen, wären sie besonders dankbar. Wer sich den fünf Historikern anschließen will, ist willkommen.

Hans-Jürgen Preuß freut sich über E-Mails unter hjpreuss@web.de. Die Forschungsergebnisse fließen in eine Ausstellung, die zur Legung der Stolperschwelle im März 2014 eröffnet werden soll.