Glinde. Eine Hausnummer und einen Briefkasten sucht vergebens, wer zu Anthony Bauer Jr. und seiner Familie möchte. Denn sie wohnen in einer Wagenburg auf dem Schützenplatz. Für die Bauers ist diese Art zu leben Familientradition.

Bis zum Alter von 23 Jahren war Anthony Jr., der aus einer Hochseilartisten-Familie stammt, noch in ganz Europa unterwegs, zeigte auf dem Seil wagemutige Kunststücke. Nach der Geburt seiner ersten Tochter entschied sich Bauer aber, aus dem riskanten Beruf auszusteigen. "Freunde und Verwandte sind bei der Arbeit ums Leben gekommen", sagt er. "Meine Kinder sollten nicht in meine Fußstapfen treten, sondern etwas 'Richtiges' lernen."

Aus diesem Grund wechselten Anthony und Patricia Bauer, ebenfalls mit Hochseil-Vergangenheit, in ein - fast - sesshaftes Leben. Während der Wintermonate leben sie in einer Wohnung in Nürnberg, so dass Deborah (14), Chantal (11) und Jeremy (7) jeden Tag die gleiche Schule besuchen können. Sobald aber die Witterung mild genug ist, wird der komplette Hausstand inklusive Hund Daisy in Wohnwagen verfrachtet.

Seit nunmehr sechs Jahren geht es dann ins Sommerquartier nach Stormarn. "Wir fühlen uns hier schon fast genauso heimisch wie in Franken. Die Menschen sind nett und mit Hamburg liegt eine der tollsten Städte quasi vor der Haustür", so Anthony Bauer. Auf die Frage, warum sie nicht ganzjährig an ihrem festen Wohnsitz blieben, entgegnet der 37-Jährige: "Auch wenn wir uns eine Wohnung leisten können, diese letzte Erinnerung an unser früheres Leben wollen meine Frau und ich einfach nicht missen."

Den Kindern scheint es zu gefallen, schließlich lassen sich in jeweils einem halben Jahr Verweildauer Freundschaften gut pflegen. Und in insgesamt vier Wohnwagen, zwei für die Kinder und jeweils einem für die Eltern sowie für Küche und Bad, lebt es sich sehr komfortabel. Und Nachbarn gibt es auch: In weiteren drei Wagen auf dem Schützenplatz wohnt Belinda Zimmermann, eine Cousine von Patricia Bauer, mit Ehemann Karl. Nach einer Hochseilartisten-Laufbahn hat dieser sich, ebenfalls den vier Kindern zuliebe, für einen Beruf entschieden, bei dem es nicht mehr ganz so hoch hinausgeht: Er ist Dachdecker.

Anthony Bauer hingegen will nicht ganz ohne Rampenlicht leben. Er legt für seinen Broterwerb weite Strecken zurück, war zuletzt als Moderator bei einer Hochseil-Show im schleswig-holsteinischen Grömitz im Einsatz, am nächsten Wochenende steht die Eröffnung der größten Schweizer Achterbahn in Zürich auf dem Programm. Und zwischendurch geht es immer wieder nach München ins Studio.

Nachdem Bauer es im Jahr 2008 bei der RTL-Sendung "Das Supertalent" als Swingsänger bis ins Halbfinale geschafft hat, holte er sich für die Produktion seiner ersten CD einen Profi an die Seite. Robert Pabst schrieb bereits die Musik zu über 500 Werbespots und 70 Filmen, war mit Beiträgen unter anderem auf der Berlinale 2008 vertreten. Die Melodie zur Single-Auskopplung "Die Falsche" lieferte Pabst, der Text stammt hingegen aus der Feder des ehemaligen Artisten selbst. Trotz des großen Zeit- und Kostenaufwands bei der Produktion eines Swing-Albums - in der begleitenden Big Band sollten mindestens 14 Mann spielen - ist Bauer entschlossen, seine Musikerkarriere voranzutreiben: "Es ist nun mal mein Lebenstraum, auf der Bühne das Publikum zu unterhalten. Dafür arbeite ich hart."

Einen weiteren Traum teilt er mit seiner Frau Patricia. "Standesamtlich sind wir schon verheiratet, aber wir möchten uns wahrscheinlich noch in diesem Jahr kirchlich trauen lassen", verrät die 40-Jährige. Der Tradition folgend soll die Trauung auf dem Hochseil erfolgen, der Pfarrer "darf" seinen Segen vom Führerhäuschen eines Krans aus spenden. Und Carlos Fassanelli - Bauers Halbfinal-Konkurrent aus "Das Supertalent" - soll ihnen dann ein Ständchen singen.