Bad Oldesloe. Jugendliche aus Bad Oldesloe wollen den sogenannten Querdenkern nicht das Feld überlassen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Für vier Montage im Januar haben sie Kundgebungen auf dem Marktplatz der Kreisstadt vor dem Stadthaus angemeldet. Eigentlich demonstrierten hier in den vergangenen Wochen Maskengegner und Verschwörungsgläubige. Die mussten jetzt auf den Vorplatz des Bahnhofs ausweichen.
„Querdenker schaffen es regelmäßig, Studien aus dem Kontext zu reißen und sie so zu verwenden, wie es ihnen gerade passt“, sagt eine junge Studentin namens Janna am Mikrofon am ersten der vier Kundgebungen vor dem Stadthaus. Mehrere Oldesloer ergreifen das Wort für die Wissenschaft, gegen Halbwahrheiten und „unsolidarische Maskenverweigerer“.
In Bad Oldesloe gibt es aktive Querdenker-Szene
Seit Monaten gehen bundesweit Menschen auf die Straße, denen der Umgang der Regierung mit der Pandemie nicht passt. Von einfacher Maßnahmen-Kritik bis hin zur Verbreitung absurder Verschwörungsmythen decken die sogenannten Querdenker dabei so gut wie alles ab. Auch in Bad Oldesloe wurde in den vergangenen Monaten das ein oder andere Mal die „Corona-Dikatatur“ herbei fantasiert. Die Szene ist relativ aktiv. Es gibt Telegram-Gruppen, in denen Studien als vermeintliche Beweise für das Versagen von Regierung und Gesellschaft im Umgang mit der Corona-Pandemie und Beiträge rechter Meinungsblogger wie Ken Jebsen oder Vollzeit-Verschwörungsideologen wie Attila Hildmann verbreitet werden.
Gespräche mit Maßnahmen-Kritikern haben nichts gebracht
Zuerst demonstrierten die Querdenker auf der Hude, später dann auf dem Marktplatz, als die Abstände nicht mehr eingehalten werden konnten. Nach Monaten reichte es einigen Oldesloern. Sie hätten zunächst versucht, das Gespräch mit den Maßnahmen-Kritikern zu suchen. Doch das, so sagen sie, hätte nicht funktioniert. Ende des Jahres schlossen sich dann auch einige Ärzte aus der Stadt dem noch kleinen Gegenprotest an.
„Wir haben mit etwa zehn Personen angefangen und waren auch schon mal fast 70“, sagt Paul. Ihre Nachnamen wollen die Anmelder lieber nicht in der Zeitung lesen. Die Erfahrung mit Querdenkern zeigt, dass von Gegnern schnell auch Adressen und andere Informationen im Internet landen. Kein Problem damit hat Walter Albrecht, Gewerkschafter und Mitglied im „Bündnis gegen Rechts“ in Bad Oldesloe: „Diese Demonstranten gefährden ihre eigene Gesundheit und, was noch viel schlimmer ist, die Gesundheit anderer. Neben der Ablehnung des Rechtsstaats drückt sich darin eine Missachtung der Freiheit anderer Menschen aus.“ Das sei menschenverachtend und das Gegenteil von Freiheit und Solidarität. Auch kritisierte Albrecht die immer größer werdende Nähe der Querdenker-Bewegung zu offen rechtsextremen Gruppen und sogenannten „alternativen Medien“.
Der Ahrensburger Stadtverordnete Ali Haydar Mercan unterstützt Demonstranten
Nicht nur Oldesloer beteiligten sich an der Kundgebung gegen die Querdenker. Auch aus Ahrensburg kam Besuch, der Lokalpolitiker Ali Haydar Mercan, Stadtverordneter für die Partei Die Linke. Er sagt: „Querdenker tun immer so, als ginge es ihnen um den politischen Diskurs. Aber dann würden sie nicht mit Rechtsextremen zusammenarbeiten oder sich von einem Arzt Atteste ausstellen lassen, der einer Frau wegen ihrer Furcht vor Menschen mit schwarzer Hautfarbe eine Angsterkrankung bescheinigte.“ Die Rede ist von dem Hamburger Mediziner Dr. Walter Weber, der in rechten Kreisen kein Unbekannter ist und bereits bei einer Querdenker-Kundgebung in Ahrensburg behauptete, dass Corona nicht gefährlicher sei als eine gewöhnliche Erkältung.
Gegen derartige Falschbehauptungen wollen die Oldesloer auch an den nächsten drei Montagen (jeweils 17 bis 19 Uhr) auf dem Marktplatz Stellung beziehen – mindestens. Bei der ersten Kundgebung wurden die vorgeschriebenen Abstände genau eingehalten, alle Teilnehmer trugen Mund- und Nasenschutz. Bei den Querdenker-Demos war das nicht immer der Fall.
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