„Tretlator“

Tüftler aus Bargteheide bauen Elektro-Rollator

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Melissa Jahn
Dank Tretlator wieder mobil: Christel Obermann aus Tremsbüttel ist noch ohne Elektro-Antrieb unterwegs. 

Dank Tretlator wieder mobil: Christel Obermann aus Tremsbüttel ist noch ohne Elektro-Antrieb unterwegs. 

Foto: Melissa Jahn

Drei Männer arbeiten an Serienreife. Der Tretlator ist mit einem Motor ausgestattet und eine Mischung aus Tretroller und Gehhilfe.

Bargteheide.  Ein Psychotherapeut, ein Physiker und ein Wirtschaftsingenieur tüfteln in Bargteheide derzeit an einer innovativen Gehhilfe. Der so genannte Tretlator – eine Mischung zwischen Kinderroller und Rollator – bringt in Skandinavien Senioren in Schwung und ermöglicht ihnen durch einen größeren Bewegungsradius mehr Unabhängigkeit. Zusammen mit einem finnischen Unternehmen wollen die Hobby-Erfinder den kippsicheren Roller nicht nur in Deutschland bekannt machen, sondern das Gerät zusätzlich mit einem E-Motor ausstatten und dadurch seine Reichweite vergrößern.

In Skandinavien gibt es das Prinzip schon länger

Alles fing mit einem Unfall an. Als Psychotherapeut Klaus Witt bei einer Kletterpartie an einem Wasserfall in Skandinavien abrutscht und sich am Fuß verletzt, sieht es schlecht aus für die Teilnahme am Golfturnier. Doch Witt gibt nicht klein bei und funktioniert kurzerhand einen gebrauchten Tretlator zum Golfroboter um, der ihm nicht nur sein Equipment hinterherfahren, sondern gleichzeitig eine Sitzmöglichkeit bieten soll. „Das Prinzip des fahrenden Untersatzes für Senioren gibt es in Skandinavien schon länger“, sagt Witt. „Im Schnee wurden meist Schlitten mit eingebautem Stuhl eingesetzt, doch auch luftbereifte Räder kommen für die eisfreie Zeit immer mehr in Mode.“

Zuhause in Bargteheide griff Witt diese Idee auf und fing zu tüfteln an. Freund Kay Hartkopf (55), war schnell mit von der Partie. Schon während der Studentenzeit war das Duo gemeinsam aktiv, konstruierte unter anderem ein Arbeitsboot für einen Meeresbiologen. „Unsere Lösung musste 30 Grad Minus überstehen und einfach zu bedienen sein“, erzählt der 61-Jährige, der einst eine Ausbildung zum Funkelektroniker der Lufthansa absolviert hat. „Es hat einige Zeit in Anspruch genommen, aber letztendlich funktioniert.“

Geschwindigkeit soll auf sechs km/h gesenkt werden

Über eine Stellenanzeige kommt zusätzlich Felix Heitmann (23) zum Team dazu, der gerade seinen Bachelor zum Wirtschaftsingenieur abgeschlossen hat. Gemeinsam beginnen die drei Männer an ihrer Idee zu feilen, Tretlatoren mit E-Motor – ähnlich einem E-Scooter – anzubieten. Wichtige Bausteine sind dabei die Kippstabilität, Bedienbarkeit per Knopfdruck und ein geräuscharmer Motor. Von ursprünglich 20 Kilometer pro Stunde soll die Geschwindigkeit nun auf sechs km/h gedrosselt werden, um Unfälle zu vermeiden. „Wie bei einem Fahrrad wird der E-Motor das Fahren bergauf unterstützen“, sagt Heitmann. „Bergab muss jedoch eine Bremse eingebaut sein.“

Christel Obermann aus Tremsbüttel hat den Tretlator bereits ausprobiert. Nach zahlreichen Stürzen und diversen Operationen suchte die 84 Jahre alte Seniorin nach einer Alternative zum Fahrrad, stieß dabei auf das Gerät aus Skandinavien – und war begeistert. Der Weg zum Eisessen, Einkaufen und selbst zum Neujahrsempfang seien nun kein Problem mehr, sagt Obermann. Die neue Fortbewegungsart mache Spaß. Sie habe an Unabhängigkeit dazugewonnen. „Das Gerät ist kippsicher und dank zweier Handbremsen leicht zu drosseln“, sagt Obermann. „Selbst mit meinem gelegentlichen Schwindelgefühl ist es leicht zu bedienen und ich kann gleichzeitig meine Beinmuskeln trainieren.“

Crowdfunding soll Finanzierung ermöglichen

Um mehr Senioren auf den Tretlator zu bekommen, hat Tochter Ines Moritz einen besonderen Plan entwickelt. Die Basketball-Trainerin vom Ahrensburger TSV plant, Einsteigerkurse für Seniorenroller anzubieten. Sie hat dabei ihre Fühler bis nach Bayern ausgestreckt. „In den Alpen werden mittlerweile Wandertouren mit Rollatoren angeboten“, sagt Moritz. „Mit Tretlatoren ist die Reichweite jedoch deutlich attraktiver.“ Der Landessportverband Schleswig-Holstein habe bereits Interesse bekundet. Potenzial sieht die erfahrene Trainerin auch bei Seniorenheimen, oder Absolventen von Altenpflegeschulen. „Das Mehr an Mobilität ist ein wichtiges Qualitätsmerkmal für die Einrichtungen“, sagt Ines Moritz. „Zusätzlich möchte ich eine Initialzündung geben, auch im Alter etwas Neues auszuprobieren.“

Um die Forschung abschließen und tatsächlich in die Produktion gehen zu können, haben sich die drei Bargteheider entschieden, Geld durch Crowdfunding einzuwerben. Starten soll die Aktion in wenigen Tagen. Die Internet-Plattform steht jedoch noch nicht fest. Interessierte können sich schon jetzt unter info@tretlator.de melden und einen Elektro-Tretlator zum vergünstigten Preis reservieren. Das Team plant, die Auslieferung bis zum Spätsommer zu starten. Die Tretlatoren werden in Finnland gefertigt und erfüllen alle europäischen Qualitätsstandards.

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