Reinbek

Kritik der Woche: Malerin bringt Fantasie ins Schloss

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Elvira Nickmann
Jutta Müller und Dirk du Pin mit dem Bild „Die Braut“ im Schloss Reinbek.

Jutta Müller und Dirk du Pin mit dem Bild „Die Braut“ im Schloss Reinbek.

Foto: Elvira Nickmann

Jutta Müller zeigt in Reinbek Bilder mit schemenhaften Figuren und Landschaften. Die Werke können sieben Wochen lang besichtigt werden.

Reinbek.  Die Bilder von Malerin Jutta Müller wiegen schwer. Das liegt an den vielen Farbschichten, welche die Künstlerin aufgetragen hat. Für ihre neue Ausstellung unter dem Titel „Fantasiekörper“ im Reinbeker Schloss hat sie 49 teils großformatige Werke ausgewählt. Besucher haben während der nächsten sieben Wochen Gelegenheit, sich einen eigenen Eindruck von dem Können der Künstlerin zu verschaffen. Die Bilder können bis Sonntag, 3. März, mittwochs bis sonntags in der Zeit von 10 bis 17 Uhr besichtigt werden.

Die Werke sind ausdrucks- und farbintensiv

Fast wirkt die zierliche Künstlerin zwischen ihren eigenen ausdrucks- und farbintensiven Werken ein bisschen verloren. Das liegt daran, dass die Motive sehr präsent sind, den Blick auf sich ziehen und die Aufmerksamkeit des Betrachters geradezu einfordern. Wer beim Gang durch die Ausstellungsräume, die sich über zwei Stockwerke erstrecken, nur auf die Attraktivität der bildnerischen Kompositionen und der durchgängig atmosphärischen Farbgebung fokussiert, tut Müllers Arbeiten unrecht. Denn die Bilder locken mit Offensichtlichem, geben dann aber erst bei längerer Betrachtung mehr von sich preis.

Die Figuren, Schichten und eingearbeiteten Collagen erzählen Episoden, deren Autor nicht allein die Künstlerin, sondern auch der Betrachter ist. Selbst für Jutta Müller enthüllen sich die Geheimnisse dessen, was sie auf Leinwand gebracht hat, manchmal zu ihrer eigenen Überraschung mit eruptiver Plötzlichkeit.

Manchmal muss sich die Österreicherin zurücknehmen

„Es gibt solche Geschenke, wo sich das Bild öffnet und die Regie übernimmt“, versucht sie eine Beschreibung dieses Prozesses, der vom Künstler vor allem eines verlangt: sich zurückzunehmen. Eine Herausforderung für jeden, der sich mitten in einem kreativen Schaffensprozess befindet. Die Fähigkeit, das Werk über das eigene Wollen zu stellen, ist ohnehin Voraussetzung für das Erkennen eines solchen Moments.

Hinschauen und sich einlassen können, diese Qualitäten beweist Müller auch auf ganz anderer Ebene. Bevor sie von Österreich aus anreiste, erkundigte sie sich bei Kulturmanagerin Elke Güldenstein, was während der Ausstellungszeit noch an Aktivitäten im Schloss geplant sei. Güldenstein erwähnte das Stormarner Figurentheater-Festival. Daraufhin entschied sich Müller, ihre Bilderauswahl auf das Thema Figuren abzustimmen.

Schwerpunkt auf den Bildern ist der Mensch

„Der Schwerpunkt ist der Mensch in allen Situationen und der Sinnlosigkeit“, erläutert die Malerin. Dass sie sich ausgerechnet der Figur, eines der am schwierigsten künstlerisch darzustellenden Sujets, zugewandt hat, schreibt sie vor allem dem Einfluss eines ihrer Lehrer zu: Markus Lüpertz, dem bekannten deutschen Gegenwartskünstler. Als Meisterschülerin besucht sie regelmäßig seine Sommerakademie. Er habe sie die Schule des Sehens gelehrt. „Durch ihn arbeite ich ganz anders, viel vertiefter“, so Müller.

Auf das Meistern der Figur erfolgt ihre Auflösung. Kein leichter Schritt, doch laut der Malerin ist „die absolute Freiheit erreicht, wenn du dich auf deine Kreativität verlassen kannst“. Das Prozesshafte ist an den in den Bildern hineingesetzten Collagen erkennbar. Und wird dokumentiert durch die vielen Auftragsschichten, die ihren Arbeiten Dreidimensionalität und Tiefe verleihen und vom umfassenden Schaffensprozess zeugen. Als ihr wichtigstes Gestaltungselement nennt Jutta Müller Farben. Zum Einsatz kommen Tusche, Acryl und Öl. Die Pigmente stellt die Künstlerin selbst her. Außerdem hat sie Bitumen als Werkstoff entdeckt und beispielsweise in den Bildern „Die Braut“ oder „Bergdorf“ verwendet. Letzteres zeigt das österreichische Skigebiet Serfaus bei Nacht und strahlt durch den Kontrast von gebrochenem Weiß und Bitumen eine geheimnisvolle Stimmung aus.

Besuch der Schau lohnt sich für Kenner und Entdecker

2010 hat Müller schon einmal im Schloss Reinbek ausgestellt. Die Schau trug den Titel „Zwischen zwei Welten“. Wer sie besucht hat, wird aktuell viel Neues entdecken. Müller zeigt vor allem Arbeiten aus den Jahren 2016 bis 2018. Und auch von den übrigen Werken ist keines älter als acht Jahre.

Ein Besuch der Ausstellung lohnt sich nicht nur für jene, die Jutta Müllers Werke bereits schätzen und ihre Entwicklung verfolgen wollen. Sondern auch für alle, die offen und bereit sind, sich von Stimmungen der Bilder einfangen zu lassen. Dann werden sie eine Künstlerin entdecken, in deren Werken sich Emotionalität mit Schaffensfreude, Kunstfertigkeit und Ausdrucksstärke verbindet.

Ausstellung „Fantasiekörper“ bis So 3.3., Mi–So 10.00–13.00, Schloss Reinbek, Schlossstraße 5, Eintritt (inkl. Schlossbesichtigung) Erwachsene 3,–, ermäßigt 1,50

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