Ausnahme zu Silvester

Achtung, Satire: So war das kommende Jahr in Stormarn

| Lesedauer: 10 Minuten
Hinnerk Blombach und René Soukup
Wie steht es um Stormarn? Ein Blick in die Glaskugel zeigt die nahe Zukunft des Kreises

Wie steht es um Stormarn? Ein Blick in die Glaskugel zeigt die nahe Zukunft des Kreises

Foto: Getty Images/Montage: Thorsten Ahlf

Sachlich, objektiv oder gar fair? Nein, gar nicht! Hier ist unser exklusiver Rückblick auf das Jahr, das uns erst noch bevorsteht.

Sie werden in den vergangenen Tagen viel gelesen, gesehen und gehört haben, wie das abgelaufene Jahr 2018 so gewesen ist. Viel davon werden Sie vermutlich noch ganz präsent haben. Was Sie jetzt und hier über das Jahr 2019 erfahren, dürfte Ihnen dagegen weitgehend unbekannt sein. Oder vielleicht doch nicht? Und wenn Sie in einem Jahr jemand fragt, sagen Sie nicht, sie hätten nichts gewusst!

Januar 2019

Beim traditionellen Neujahrsempfang der Stadt Ahrensburg zitiert Bürgervorsteher Roland Wilde erstmals sich selbst. Er stellt fest, dass heute aktueller denn je sei, was er in den vergangenen sechs Jahren beim Neujahrsempfang gesagt hat: „Das Miteinander von Politik und Verwaltung hat sich verbessert, ist aber noch nicht so, wie ich mir das vorstelle.“ Das Ahrensburger „Wir-Gefühl“ sei noch deutlich ausbaufähig.

In Bargteheide freut man sich unterdessen, Ahrensburg den Rang als Stadt mit den lautesten Misstönen in Politik und Verwaltung abgelaufen zu haben. Das Bargteheider „Wir-Gefühl“ wird von einem CDU-Stadtvertreter wie folgt zusammengefasst. „Wir haben das Gefühl, dass wir die Grünen-Fraktionschefin Ruth Kastner auch bei den nächsten sieben Wahlen zur zweiten stellvertretenden Bürgermeisterin durchfallen lassen werden.“

Februar 2019

Reinbeks Politiker segnen den Bebauungsplan für den Neubau der Feuerwache auf dem Grandplatz am Mühlenredder ab. Über dieses Thema wurde Jahre gestritten. Jetzt scheint Ruhe zu sein.

Hans-Peter Jansen, ehemaliger Betreiber des Cinema Paradiso im Kleinen Theater Bargteheide, kündigt an, dass er seine Ankündigung, nicht mehr anzukündigen, seine Ankündigung aus dem Dezember in Bezug auf die Kündigung des Kinobetriebs kündigen zu wollen, nun nicht mehr aufrechterhalte und kündigt für Ende des Monats eine entsprechende Ankündigung an. Politik und Verwaltung reagieren verwirrt und verkünden pflichtgemäß, dass selbstverständlich auch Jansen jederzeit Ankündigungen ankündigen darf.

März 2019

Geht das schon wieder los? In Großhansdorf steht seit Tagen eine Mülltonne am Straßenrand. Erinnerungen an das Horrorjahr 2018 werden wach, als weite Teile des Kreises Stormarn im Chaos aus Bio- und Restmüll zu versinken drohten. Besorgte Bürger rufen bei der Hotline des Entsorgers AWSH an. Der kann nach nur wenigen Tagen der intensiven Recherche vermelden: Nicht etwa fehlende Lkw-Fahrer sind der Grund, dass die Tonne am Straßenrand steht. Genau genommen sei es nämlich gar keine Mülltonne, die da nicht abgeholt wird, sondern der neue Verteilerkasten eines Anbieters für superschnelles Internet.

April 2019

Die Temperaturen steigen, die Alkoholpegel bei den Jugendlichen rund um das Bargteheider Schulzentrum auch. Die Polizei verlängert dessen Einstufung als „gefährlicher Ort“ und begründet dies damit, dass es ja angesichts des Gezänks in Politik und Verwaltung ja kein Wunder sei, dass sich die jungen Leute daneben benähmen.

Im Kreistag in Bad Oldesloe erklären alle Mitglieder der AfD-Fraktion ihren Austritt aus der Fraktion und der Partei, behalten aber ihre Mandate, schließen sich anderen Fraktionen an oder bilden neue Gruppen. Das ist soweit nicht ungewöhnlich. Problem nur: Niemand kann sich erinnern, wer noch in der AfD-Fraktion war – und ob es überhaupt noch eine gab.

Mai 2019

Der Pakt für bezahlbaren Wohnraum kommt jetzt kreisweit so richtig in Fahrt. In allen 55 Stormarner Städten und Gemeinden gründen sich zeitgleich Bürgerinitiativen, die jeweils für ein gleichlautendes Ziel eintreten: „Wir brauchen dringend mehr Wohnraum, aber bitte nicht bei uns!“

Jürgen Hettwer wird mit 100 Prozent der abgegebenen Stimmen erneut zum Oststeinbeker Bürgermeister gewählt. Seine Amtszeit beträgt diesmal acht statt zuvor sechs Jahre. Das hatte die Politik so gewollt. Einen Gegenkandidaten gab es übrigens nicht. Dafür hatten die Parteien gesorgt, indem ihre Vertreter bei Hunderten Hausbesuchen im Ort der Bevölkerung davon abrieten, Unterschriften für Einzelbewerber zu geben. In seiner Dankesrede am Wahlabend im Bürgersaal kündigt Hettwer an, auch bis weit über das Alter von 80 Jahren Rathauschef bleiben zu wollen. Vom Ruhestand halte er nichts.

Juni 2019

In Ahrensburg wird die Anhandgabe des Baugrundstücks an der Alten Reitbahn um weitere sechs Monate verlängert. Der Investor soll nun nachbessern und ein Konzept vorlegen, mit dem sichergestellt wird, dass in allen Wohnungen die Miete pro Quadratmeter weniger als vier Euro kostet, dass die Mieter jeweils vier Parkplätze pro Wohnung bekommen und dass pro Mieter vier Knicks rund um das Areal gepflanzt werden. Zudem soll mittels einer genealogischen Analyse der Mieter sichergestellt werden, dass keine Zugereisten aus Hamburg den Ahrensburger Krankenschwestern und Polizisten den dringend benötigten Wohnraum wegnehmen. Der Investor überlegt kurz, grummelt etwas über die immer neuen Anforderungen aus der Politik, trifft sich dann mit der Familie Levenhagen und zeigt sich anschließend zuversichtlich, das Konzept auch unter den neuen Bedingungen realisieren zu können.

Juli 2019

Die Sommertage haben weiterhin hohe Temperaturen, die Jugendlichen rund um das Bargtheider Schulzentrum weiterhin hohe Pegelstände. Landrat Henning Görtz betont, dass der Kreis für die Bargteheider Zustände nicht zuständig sei. Gleichwohl macht er sich Sorgen und schmiedet einen Plan, der auf folgender These basiert: Bargteheide kann man sich schöntrinken – und zwar gepflegt. Überzeugt haben ihn die Erfolge der Bargteheider Weinbauern und der Bargteheider Bierbrauer. Beide haben bereits im vergangenen Jahr dafür gesorgt, dass die Begriffe „Alkohol“ und „Bargteheide“ nicht ausschließlich in negativem Kontext erscheinen müssen. Görtz schlägt vor, das Bargteheider „Wir-Gefühl“ durch die Gründung einer Dorfkneipe wiederzubeleben, in der ausschließlich regionale Produkte angeboten werden. Einen Namen hat er auch schon: die „Bar Gteheide“.

August 2019

In Ahrensburg scheitert nach monatelangen Planungen der geplante Bau des neuen Schwimmbads, welches das bisherige Badlantic ersetzten sollte. Grund: Ein von der Stadt in Auftrag gegebenes Gutachten (Kosten: 67.000 Euro) hat ergeben, dass den Ruhe und Erholung suchenden Badegästen der Lärm der umliegenden Wohnhäuser nicht zugemutet werden kann.

In der Reinbeker Politik mehren sich Stimmen, die nun doch keine Feuerwache am Mühlenredder wollen. Auf einer eilig einberufenen Stadtverordnetenversammlung fahren die Entscheider das Projekt gegen die Wand und machen sämtliche Beschlüsse rückgängig. Dass die bisher aufgelaufenen 500.000 Euro für die Planung damit in den Sand gesetzt sind, dürfe keine Rolle spielen. Sie lindnern: „Es ist besser, nicht zu bauen, als falsch zu bauen.“ Die große Mehrheit plädiert für eine erneute Standortsuche und nimmt dabei das Rathaus-Areal ins Visier. Dafür soll das Verwaltungsgebäude nach Schönning­stedt verlegt werden, weil dort der geografische Mittelpunkt der Stadt liegt.

September 2019

Die „Bar Gteheide“ ist ein voller Erfolg. Und der Landrat wäre ja nicht Landrat, wenn er nicht das Wohl des gesamten Kreises im Blick hätte. So hat er in seinem Kopf bereits eine Idee entwickelt, die als nicht weniger als das neue „Stormarner Modell“ in die Geschichte eingehen könnte: Das Konzept der „Bar Gteheide“ wird als Franchise-System in vielen weiteren Städten und Gemeinden eingeführt. Bereits fest geplant sind die „Bar Gfeldstegen“, die „Bar Sbüttel“, die „Bar Nitz“ und die „Bar Dendorf“. Über eine „Bar Doldesloe“ muss zuerst noch beraten werden.

Die Brandschutzsanierung des Glinder Bürgerhauses verzögert sich. Damit kann das renommierte Theoter ut de Möhl auch weiterhin nicht vernünftig proben und muss geplante Stücke absagen. Grund für die Verzögerung: Ein Mitarbeiter der Verwaltung hatte vergessen, dem Bautrupp den Schlüssel unter die Fußmatte zu legen. Bürgermeister Rainhard Zug spricht in diesem Zusammenhang von „Organisationsverschulden“.

Oktober 2019

Zwar ist die nächste Bürgermeisterwahl in Oststeinbek erst für 2027 vorgesehen. Verwaltungschef Jürgen Hettwer erklärt aber bereits jetzt auf einer Pressekonferenz, dass er die Politiker überzeugt hat, die nächste Amtsperiode auf zwölf Jahre zu verlängern und dass er auch wieder antreten wird. Ein Ortspolitiker schlägt vor, gar keine Gegenkandidaten mehr zuzulassen.

November 2019

In Ahrensburg blickt man voller Neid auf das gastronomische Erfolgsrezept und will ebenfalls eine Kneipe aufmachen. Allerdings lehnt der Franchisegeber den Namen „Bahr Ensburg“ wegen orthografischer Mängel ab. Bürgermeister Michael Sarach schlägt vor, einen Gutachter mit der Namensfindung zu beauftragen und bekommt hierfür 145.000 Euro von der Politik zur Verfügung gestellt. Das Ergebnis des Gutachtens stößt auf breite Zustimmung und wird von allen Beteiligten als „genau passend“ gelobt: Ende des Monats soll im alten Speicher hinter dem Marstall die „Bar jeder Vernunft“ eröffnen.

Reinbeks Politiker machen Nägel mit Köpfen. Sie wählen als Standort für die neue Feuerwache das Rathaus-Grundstück aus und entscheiden zudem, dass ein neues Verwaltungsgebäude in Schönningstedt errichtet wird. Das kostet zwar 20 Millionen Euro und sorgt dafür, dass die Schulden der Kommune kurzfristig auf mehr als 50 Millionen ansteigen. Doch sie sind überzeugt: „Es ist besser, teuer zu bauen, als gar nicht zu bauen.“

Dezember 2019

In Oststeinbek geschieht das Unfassbare: Bürgermeister Jürgen Hettwer schmeißt hin, nachdem er sich mit den Ortspolitikern überworfen hat. Grund: Der Bürgermeister wollte sich auf der Gemeindevertretersitzung außerplanmäßige Ausgaben in Höhe von 50.000 Euro zur Anschaffung eines neuen Mahagoni-Schreibtisches für sein Büro genehmigen lassen: „Wenn ich hier noch 20 Jahre sitze, brauche ich qualitativ hochwertiges Mobiliar.“ Das geht den Parteien dann aber doch zu weit.

In Bargteheide und Ahrensburg wird bereits an den Reden für die Neujahrsempfänge 2020 gefeilt. Die Verantwortlichen beider Städte einigen sich in vertraulichen Gesprächen darauf, das mit dem „Wir-Gefühl“ jetzt erst mal wegzulassen.

Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Stormarn