Bad Oldesloe

Abgas-Skandal: Diesel-Autos droht Stilllegung

| Lesedauer: 5 Minuten
Dorothea Benedikt
Der ADAC hat Autos vor und nach dem Software-Update getestet. Ergebnis: Der Schadstoffausstoß sinkt, Kraftstoffverbrauch und Motorleistung bleiben gleich

Der ADAC hat Autos vor und nach dem Software-Update getestet. Ergebnis: Der Schadstoffausstoß sinkt, Kraftstoffverbrauch und Motorleistung bleiben gleich

Foto: UweRattay / HA

Kreis Stormarn leitet 31 Verfahren gegen Halter von VW-Dieselautos ein, die kein Software-Update an ihren Fahrzeugen machen ließen.

Bad Oldesloe.  17 VW-Fahrern in Stormarn droht die Stilllegung ihres Dieselautos. Dies ergab eine Abendblatt-Anfrage bei der Verkehrsbehörde des Kreises. Diese hat bislang 31 Verfahren gegen Besitzer von Dieselfahrzeugen mit Abgasmanipulation eingeleitet. Dabei handele es sich ausschließlich um VW-Autos. „Zunächst wurden die Halter vom Kraftfahrtbundesamt angeschrieben und aufgefordert, in einer Werkstatt ein Software-Update an ihrem Auto machen zu lassen“, erklärt eine Sprecherin der Stormarner Behörde. Sind die Autofahrer dieser Aufforderung nicht nachgekommen, schickte das Kraftfahrtbundesamt ihre Daten an die zuständige Kfz-Zulassungsstelle.

„Von uns gab es dann zunächst eine Anhörung“, sagt die Sprecherin und meint damit ein Schreiben an die säumigen Diesel-Fahrer, in dem sie erneut aufgefordert wurden, einen Nachweis für das Software-Update zu erbringen. Reagiert der Fahrzeughalter auch nicht auf dieses Schreiben, folgt eine Ordnungsverfügung. „Die kostet dann 35 Euro und dem Halter wird eine Frist von vier Wochen gegeben“, sagt die Sprecherin. Bleibt der Autobesitzer weiterhin untätig, folgt die Stilllegung des Fahrzeugs.

14 Autofahrer im Kreis haben nach einer Anhörung oder Ordnungsverfügung das Update machen lassen. „Neun Anhörungen und fünf Ordnungsverfügungen laufen noch. Gegen drei weitere Ordnungsverfügungen liegen Widersprüche vor“, sagt Dirk Willhoeft, Chef der Straßenverkehrsbehörde. Seine Mitarbeiter hören als Grund einer Ablehnung oft, dass die Autofahrer es nicht einsehen, ein Update machen zu lassen. Schließlich habe der Hersteller einen Fehler gemacht.

Verbraucherschützerin empfiehlt neue Musterklage

Doch sowohl der ADAC als auch die Verbraucherzentrale sagen, dass es sich um einen verpflichtenden Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes handelt. „Dem müssen die Verbraucher Folge leisten. Sonst droht die Stilllegung“, sagt Marion Jungbluth, Leiterin Mobilität und Reisen beim Bundesverband der Verbraucherzentralen. Auch sie kennt Gründe, warum einige Autofahrer es ablehnen, in die Werkstatt zu fahren. Denn die Autohersteller, die zwar das Software-Update bezahlen, weigern sich, vollumfängliche Garantien zu übernehmen. „Wenn ein Fahrzeug nach Umrüstung Schäden aufweist, bleibt der Halter oft darauf sitzen“, sagt sie.

Damit nicht jeder Autobesitzer für sein Recht klagen muss, sei die neu geschaffene Musterfeststellungsklage ein geeignetes Mittel. Denn ein Urteil ist bindend. Verbraucher müssen dann zwar ihre eigenen Schadenersatzansprüche einklagen, ein Richter entscheidet dann aber nur noch, wie hoch der Anspruch ist und nicht mehr, ob es überhaupt einen Anspruch auf Schadenersatz gibt. „Das große Pfund der Musterfeststellungsklage ist ihre verjährungshemmende Wirkung“, sagt die Verbraucherschützerin. Für Volkswagen-Kunden sei die ab dem 1. November geltende Musterfeststellungsklage noch gerade rechtzeitig beschlossen worden. Denn Ende dieses Jahres wäre ein Anspruch gegenüber dem Wolfsburger Autohersteller verjährt.

ADAC testet Autos vor und nach dem Software-Update

Der Sprecher des ADAC Schleswig-Holstein, Ulf Evert, sagt: „Die Hersteller haben auf Zeit gespielt.“ Er hofft, dass mit der Musterfeststellungsklage jetzt auch entschieden wird, ob betroffene Dieselfahrer für den Wertverlust ihres Autos entschädigt werden. „Viele Autofahrer glaubten, sich ein Öko-Auto gekauft zu haben und mussten ein Jahr später feststellen, dass es eine Dreckschleuder ist, die damit deutlich an Wert verloren hat“, sagt der ADAC-Sprecher.

Auch er rät allen von der Zulassungsstelle angeschriebenen Autofahrern, das Software-Update machen zu lassen. In einem Test hat der Automobilclub den Verbrauch und die Motorleistung vor und nach dem Update untersucht und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass beides unverändert bleibt. Auch habe es bislang keine negativen Rückmeldungen an den ADAC von Autofahrern gegeben, die das Update haben machen lassen.

Die Folgen der Umrüstung sind nicht absehbar

Die Tests zeigten dabei auch, dass bei Dieselfahrzeugen mit neuer Software der Abgasausstoß insbesondere von Stickoxiden deutlich verringert werde. Auch wenn die Untersuchung des ADAC ein positives Fazit zieht, bleiben noch Fragen offen. So könne heute noch nicht gesagt werden, ob mit der Zeit ein Schaden am Auto droht. So arbeite die sogenannte Abgasrückführungs-Einheit, kurz AGR-Einheit, nach dem Software-Update anders. Ruß könne dieses Bauteil mit der Zeit beschädigen. Experten sprechen von einer Verkokung. Allerdings werden laut ADAC die AGR-Einheiten von Fachleuten als Verschleißteile eingestuft, die bei einigen Automarken bereits nach weniger als 100.000 Kilometer Laufleitung ersetzt werden müssen.

Weil diese Folgen und vielleicht weitere heute noch nicht absehbare Nachteile nicht genau einschätzbar sind, haben offenbar einige Diesel-Fahrer Widerspruch gegen eine Ordnungsverfügung beim Kreis Stormarn eingereicht. „Ein Widerspruch schützt aber nicht vor einer Stilllegung“, sagt eine Sprecherin der Verkehrsbehörde: „Wegen der eingeführten Musterfeststellungsklage ruhen jetzt aber erstmal die Verfahren.“

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