Ahrensburg. Statt des traditionsreichen Vornamens der Erbtante muss heute etwas Außergewöhnliches her, um die Einzigartigkeit des Sprösslings zur Geltung zu bringen. So denken offenbar viele Eltern. Doch wer aus dem Bauch heraus entscheidet, kann schnell in eine Falle tappen. Mithilfe einer neuen App des Ahrensburger Namensforschers Knud Bielefeld können Ratsuchende die Wahrscheinlichkeit abschätzen, ob ein Name mit Vorurteilen behaftet ist.
Rayan, Conner, Benedikt, Lio Fiete, Jeppe und Greta wurden 2016 im St. Adolf-Stift in Reinbek geboren. Doch auch wenn sich die Babys kaum in Gewicht und Größe unterscheiden, so kann allein ihr Name ein Wegweiser in die Zukunft sein. Denn neben der eigenen Persönlichkeit und dem puren Können zählen eben auch andere Faktoren, die eine Beurteilung in der Schule oder einer späteren Bewerbung beeinflussen. Eine im Jahr 2009 veröffentlichte Studie der Universität Oldenburg mit dem Titel „Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose“, bestätigte Vorurteile, die ein Name mit sich bringen kann. Die App von Knud Bielefeld soll vorbeugen.
Kevin und Chantal haben es schwerer im Berufsleben
Die Vorliebe für ungewöhnliche Namen hat der Ahrensburger offenbar von seinen Eltern geerbt. Während seine Mitschüler auf die Namen Stefan, Michael oder auch Thorsten hörten, wählten sie für ihren Sohn bewusst den Vornamen Knud. Mit beginn der 1990er-Jahre setzte sich der Wirtschaftsinformatiker selbst mit Vornamen auseinander. Er sammelte Daten, zuerst auf seiner privaten Homepage, bis er im Jahr 2003 die Internetseite beliebte-vornamen.de gründete. Drei Jahre später kamen die jährlichen Hitlisten der beliebtesten Vornamen hinzu. Denn obwohl in Deutschland fast jede Kennzahl vom statistischen Bundesamt erfasst wird, werden Namen nicht offiziell ausgewertet. Für das Ergebnis durchforstet der Ahrensburger Bielefeld so in jedem Jahr die Erkenntnisse von insgesamt 430 Kliniken, Geburtshäusern und Standesämtern. Mittlerweile beschäftigt er fünf Mitarbeiter, die Knud Bielefeld mithilfe von Werbeeinnahmen finanziert.
Mit der App Kevinometer reagierte der Hobby-Namensforscher nun auf Anfragen werdender Eltern, die sich Sorgen wegen der Namenswahl machten. „Ich bekomme relativ häufig E-Mails und werde gefragt, ob Menschen wegen bestimmter Vornamen in Schubladen gesteckt werden“, sagt Bielefeld. „Studien haben ergeben, dass Kinder mit Vornamen wie Kevin oder Chantal als weniger leistungsstark eingestuft werden. Hier ist die Verunsicherung schon groß.“
Das Ziel der App ist es, mit dem Ausschlag des Zeigers auf einen Blick zu erkennen, wie stark der gesuchte Name Klischees bedient. Für das Ergebnis nähert sich Bielefeld mit einer eigens entwickelten Formel an, die verschiedene Merkmale einbezieht: Hier fließen sowohl sprachwissenschaftliche Analysen als auch soziologischen Faktoren und historische Erhebungen ein. So wirke sich zum Beispiel die amerikanische Herkunft eines Namens negativ auf das Gesamtergebnis aus. Ebenso wie Namen von Popstars oder Filmschauspielern. „Das ganze ist jedoch eine dynamische Geschichte“, gibt Mitarbeiterin Annemarie Lüning zu bedenken. „Wenn wir zum Beispiel eine neue Serie wie die „Die Wollnys“ oder „Game of Thrones“ bekommen, heißen bald auch einige Kinder nach den Hauptdarstellern.“ Dabei zeige sich: Junge Eltern neigen eher dazu, heikle Namen zu wählen. Knud Bielefeld hat hierfür eine Erklärung: „In jungen Jahren spielen Idole wie Popstars eine viel größere Rolle. Und ein Hochschulstudium kommt altersbedingt eben auch erst später dazu.“ Dementsprechend unterschiedlich seien die Reaktionen auf die App. Während manche Eltern dankbar und froh seien, wollten manche den negativen Beigeschmack ihres Lieblingsnamens lieber nicht wahrhaben.
Generell durchlaufen Modenamen einen eigenen Kreislauf. So können unbeliebte Namen nach vielen Jahren wieder in Mode kommen, sofern sie für die heutige Elterngeneration keinen negativen Klang mehr haben. Traditionelle Namen wie Theo und Emma erreichen im Übrigen keinen hohen Wert im Kevinometer – und werden in der Regel vermehrt von Akademikern ausgesucht. Die Trends von morgen lassen sich übrigens auch schon heute ermitteln - ohne App. Wie der Namensforscher Knud Bielefeld herausfand, sind die Norddeutschen ihrer Zeit voraus. Viele beliebte norddeutsche Namen von 2006 konnten sich mittlerweile in ganz Deutschland durchsetzen. Knud Bielefeld sagt: „Dabei handelt es sich um skandinavische und kurze Namen wie Finn und Lasse. Da sich neue Namen zu Anfang befremdlich anhören, dauert diese Entwicklung immer ein paar Jahre, bis sie im Süden Deutschlands angekommen ist.“
Zusammen mit Annemarie Lüning entstand so das Buch der beliebtesten Vornamen in Norddeutschland „Von Finn und Finja, Freya und Fritz“. Die Redakteurin sagt: „Ich habe für das Buch Texte zu 100 Namen geschrieben, die wirklich typisch für Norddeutsche sind. Die Beiträge sollen Spaß machen und auch als eine zusätzliche Entscheidungshilfe dienen.“
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