Mentoring

Stormarnerinnen machen es vor: Frauen in die Politik

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Christina Schlie

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„Wer sich einbringt, kann auch gestalten.“ Eine Großhansdorferin und eine Ahrensburgerin beteiligen sich an einem Mentoring-Programm.

Bad Oldesloe.  Sie engagieren sich in Kindergärten und Schulen, sozialen Wohnprojekten oder als ehrenamtliche Helfer. Sie managen, organisieren und verwalten. Und trotzdem finden noch immer wenige Frauen den Weg in die Politik, wo genau diese Eigenschaften gefordert sind. Nur 36 Prozent der Bundestagsabgeordneten sind weiblich. Noch geringer ist der Frauenanteil auf Landes- und Kommunalebene. In Schleswig-Holstein sitzen 21 Frauen im Landtag 48 Männer gegenüber. Spitzenreiter ist der Stormarner Kreistag mit einem Anteil von 37,7 Prozent weiblicher Abgeordneter. „Doch auch hier besteht noch Spielraum, um die angemessene politische Repräsentanz von Frauen gemäß ihrem Anteil von mehr als 50 Prozent an der Bevölkerung zu erreichen“, sagt Stormarns Gleichstellungsbeauftragte Birte Kruse-Gobrecht.

Doch warum ist das so? „Vielen Frauen fehlt gerade in der Anfangszeit ein unterstützender Partner. Quasi eine Initialzündung“, sagt Kruse-Gobrecht. Ein landesweites Mentoring für Kommunalpolitikerinnen, initiiert vom Helene Weber Kolleg (HWK), soll Abhilfe schaffen. Bei dem Projektstart in diesem Jahr in Schleswig-Holstein nehmen erfahrene Politikerinnen interessierten Einsteigerinnen an die Hand und beraten sie. Das Abendblatt hat mit Polit-Einsteigerinnen gesprochen.

Bei zwei Sitzungen in Berlin schnupperte Astrid Korth schon Luft im Bundestag

„Ich bin ein sozial denkender und handelnder Mensch“, sagt Sandrine Klimek. Die 35-Jährige ist im Elternbeirat der Kindertagesstätte und Vorsitzende im Verein feste Grundschulzeiten an der Wöhrendammschule in Großhansdorf. „Ich wusste nie, wie man den Einstieg in die Politik gestaltet“, sagt die Frau, die nun eine der 20 Teilnehmerinnen des Programmes ist. Als Mentorin steht Sandrine Klimek die Kreistagsabgeordnete Sabine Rautenberg zur Seite. „Es ist toll, von einem Profi unterstützt zu werden“, erzählt Klimek. Begeistert sei sie davon, der Politikerin alle erdenklichen Fragen stellen zu dürfen. Wie funktioniert eine Gemeinde? An wen wende ich mich zu welchen Themen? Wie kann ich meine nächsten Schritte gestalten?

Für die zweifache Mutter, die Vollzeit als Chefsekretärin in der Großhansdorfer LungenClinik arbeitet, sei Politik mehr als ein Hobby. „Es ist ein hohes Gut, seinen Lebensmittelpunkt mitgestalten zu können.“ Noch ist sie in der SPD ein eher beobachtendes Mitglied, aber zum Ende des Mentoring soll sich das ändern. Ihr Ziel: 2018 bei der nächsten Kommunalwahl einen Sitz in der Großhansdorfer Gemeindevertretung zu gewinnen.

Ganz andere Ambitionen hat Astrid Korth. „Mich reizt die Bundespolitik“, sagt die 51-jährige Ahrensburgerin. „Der globale Gedanke.“ Gemeindepolitische Strukturen erlebe sie täglich vor der eigenen Haustür. Sie ist Mitbegründerin des Wohnprojekts Wilde Rosen. Auch Astrid Korth ist Mentee in dem HWK-Programm, empfand den politischen Einstieg ebenso schwierig wie ihre Kollegin Sandrine Klimek. Mit ihrem Mentor, der Bundestagsabgeordneten Nina Scheer, habe Korth „genau die richtige Begleitung“ erwischt. Bei zwei Sitzungen in der Hauptstadt habe sie nun schon die Bundespolitik hineinschnuppern können.

Das Mentoring-Programm sei ein hervorragender Weg, politische Abläufe kennenzulernen

„Frauen fehlt häufig noch das Selbstverständnis für den Weg in die Politik“, sagt Ruth Kastner, Landesvorsitzende der Grünen in Schleswig-Holstein. 2009 wagte die Bargteheiderin den Sprung ins kalte Wasser, wurde aus der Journalistin eine Politikerin. Schon in Schulen müssten demokratische Prozesse viel intensiver erklärt werden. Gerade, weil Jugendliche im Land mehr in die Verantwortung genommen würden, seit sie mit 16 Jahren wählen dürfen. Das Mentoring-Programm ist Ruth Kastners Ansicht nach für interessierte und engagierte Frauen ein hervorragender Weg, politische Abläufe kennenzulernen. Ihr Tipp: „Jede Frage, die aufkommt, unerschrocken stellen und stets neugierig bleiben.“

Astrid Korth, die sich bisher noch keiner Partei angeschlossen hat, möchte in der Berliner Männerdomäne Fuß fassen. An Leichtigkeit und Menschlichkeit mangele es dort noch. „Meine Stärke ist es, den Menschen zu vermitteln, dass das Leben nicht bierernst ist“, sagt die Frau, die als Trainerin und Coach für Persönlichkeitsentwicklung arbeitet. „Vielleicht sollte ich auch Politiker coachen“, sagt die lebenslustige Frau. Das Credo, nur wer ernst arbeite, leiste auch, müsse unbedingt widerlegt werden. Möglicherweise helfe es ihr, dass sie auch eine Ausbildung als Clownin absolviert hat.

Beide Teilnehmerinnen sind begeistert von dem Mentoring-Programm. Und sie seien sicher, Politik künftig mitgestalten zu können. Mit verschiedenen Nuancen haben sich beide Frauen der Bildung verschrieben. „Eine gute Betreuung bedeutet auch eine gute Bildung. Alle Kinder müssen die gleichen Chancen erhalten“, sagt Sandrine Klimek. In diesem Bereich besteht nach Meinung der Großhansdorferin immer noch Handlungsbedarf. Allerdings sei Bildung auch ein klassisches Frauenressort.

Ist der Einstieg in die Politik erst einmal geschafft, könnte sich Sandrine Klimek auch ein Engagement im Bauausschuss vorstellen. „Mutig und interessiert sein“, laute ihre Devise. Das versuche sie auch ihren Kindern zu vermitteln. So sei sie besonders stolz, dass ihr Sohn gleich in der ersten Klasse die Aufgabe des Klassensprechers übernahm. Sie sagt: „Nur wer sich einbringt, kann auch gestalten.“

Bei regelmäßigen Treffen erarbeiten die Teilnehmerinnen neue Ziele

Astrid Korth sieht sich künftig ebenfalls im Bildungsbereich, möchte diesen mit dem Ressort Arbeit verknüpfen. Sie sagt: „Ich bin eine Visionärin, das kann ich vermitteln. Jeder sollte die Chance bekommen, sich nach seinen Stärken in die Gesellschaft einzubringen. Unser Land ist ein Schmelztiegel an Kulturen, wir haben immer noch nicht verstanden, dass wir dieses Gut nutzen müssen.“

Alle vier bis sechs Wochen treffen sich die Teams aus Mentee und Mentor zum Austausch, erarbeiten weitere Ziele. Noch im Mai wird Zwischenbilanz gezogen. Im November endet das Mentoring-Programm. Möglicherweise wird sich schon bei den Landtagswahlen im Mai 2017 und den Kommunalwahlen im Frühjahr 2018 zeigen, ob sich mehr Frauen politisch engagieren.

Weitere Informationen zum Mentoring-Programm finden Sie unter www.frauen-machen-politik.de

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