Kirchenjubiläum

„Outdoor-Kirche“ Klein Wesenberg feiert 130. Geburtstag

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Sebastian Knorr
Die Kirche in Klein Wesenberg

Die Kirche in Klein Wesenberg

Foto: Erhard Graf

Viele Pilger kommen, viele Radfahrer – und bald auch Kanuten? Sorgen bereiten dem umtriebigen Pastor aber die Kosten für die Sanierung.

Klein Wesenberg. „Die Kirche strahlt etwas besonderes aus“, sagt Pastor Erhard Graf, „das haben mir schon viele Menschen bestätigt.“ Ein „Kraftort“ sei sie und ein „Wahrzeichen der Region zwischen Bad Oldesloe und Lübeck“. Das besondere für Graf: „Hier verbindet sich das moderne Lebensgefühl mit einem historischen Ort.“ Seit dem Jahre 1885 steht die Kirche in Klein Wesenberg, zwei Weltkriege hat sie überstanden, elf Pastoren haben seitdem Gottesdienste gefeiert, Liebende getraut oder Trauernde bei dem Verlust eines Angehörigen begleitet. Jetzt ist sie 130 Jahre alt geworden.

„Die alte Kirche ist im Jahre 1882 abgebrannt“, erzählt Graf. Deren Geschichte war wesentlich länger: Im Jahr 1187 wurde sie das erste Mal urkundlich erwähnt. An einem Sonntagnachmittag Ende April anno 1882 war ein Blitz in das Fährhaus neben der Kirche eingeschlagen. Ein starker Sturm ließ das Feuer auf die Kirche übergreifen. Ein Baumeister aus Reinfeld wurde beauftragt, der die Kirche im neugotischen Stil – damals Zeitgeist – neu errichten sollte. Am 27. März 1885 wurde die neue Kirche eingeweiht. Das äußere Erscheinungsbild war abgeschlossen, im Innenraum des Gotteshauses jedoch noch einiges zu tun. Eine Versammlung für den Holsteinischen Kirchenbau bewilligte zwei Monate darauf 3000 Mark für die Herstellung der Kanzel und des Altars. Für 5000 Mark liefert die dänische Firma Marcussen und Søn eine Orgel.

Für die Sanierung der Kirche werden rund 400.000 Euro benötigt

Knapp 130 Jahre später geht es um weit größere Summen, um neue Bestimmungen und den Erhalt der Kirche. „Wir müssen es bei allen Stiftungen versuchen, die in Frage kommen“, sagt Pastor Erhard Graf. Aus dem eigenen Etat der kleinen Gemeinde allein seien die kostspieligen Renovierungs- und Restaurierungsarbeiten an dem denkmalgeschützten Gebäude nicht zu bewältigen. 2011 hatte sich ein Kirchenbauverein gegründet, man bat einen Architekten, zu errechnen, welche baulichen Maßnahmen noch durchgeführt werden müssen, damit die Kirche langfristig substanziell erhalten bleibt. Das Ergebnis: Kosten in Höhe von 400.000 Euro.

2012 begann man mit Fördermitteln der Europäischen Union zumindest schon einmal, das marode Dach zu reparieren. Zwei Jahre darauf wurden die Arbeiten abgeschlossen. „In der Zukunft müssen noch die Buntglasfenster restauriert werden, bei denen die Bleisubstanz langsam zerfällt“, sagt Erhard Graf. Die Orgel müsse noch gereinigt werden, der Inneraum brauche neue Farbe, außerdem müsse man sich unbedingt um die Wärmedämmung kümmern. „Über den Kirchenbauverein versuchen wir auch, die Teile der Bevölkerung zu beteiligen, die nicht Mitglieder der Kirche sind“, sagt Graf. „Am Erhalt der Kirche ist schließlich jedem Bürger etwas gelegen.“

Der Innenraum wurde zuletzt umfassend in der bewegten Zeit der 1960er Jahre renoviert. Eine Kassettendecke wich einer Bogendecke. „Deswegen haben wir heute so eine gute Akustik“, sagt Graf. An Stelle eines Sandbodens mit Ziegelsteinen verlegte man Estrich-Beton. Außerdem wurde ein Kirchenfenster aus den 20er-Jahren – es zeigte Christus mit Siegesfahne – ersetzt. Eine „Vorwegnahme der 68er-Bewegung“ nennt Graf das: „Die Darstellung fand man nicht mehr zeitgemäß.“ Mit dem neuen Bodenbelag kamen aber auch neue Probleme. „Es riecht muffig“, sagt Graf, „weil die Luft nicht mehr zirkulieren kann.“ Heute würde man bei derartigen Böden Lüftungsschlitze einlassen. „Für uns heißt das: Wir müssten den ganzen Boden aufreißen.“ So bleibe es ihm nur übrig, „so oft wie es geht zu lüften“.

Die Kirche wird immer häufiger zur Anlaufstelle für Pilgerreisende

Frische Luft ist ohnehin ein Thema der Kirche. Sie liegt nämlich an der Via Baltica, einem deutschen Abschnitt des Jakobswegs, und wird immer häufiger zur Anlaufstelle für Reisende. „Knapp 1000 Pilger kommen jährlich hier vorbei“, so Graf. „Dort können sie im Gemeindehaus übernachten und sich in ein Gästebuch eintragen.“ Auch Radfahrer hielten gern an der Kirche auf dem Hügel. Und wenn es nach ihm ginge, dann kämen bald noch Kanuten hinzu. „Wir arbeiten zusammen mit der Gemeinde an einem Anlegeplatz an der nahegelegenden Trave“, sagt Graf. „Dann liegen wir an einem Wanderweg, einer Fahrradstrecke und an einer Kanu-Route“, sagt Graf, „und wären die erste Outdoor-Kirche.“

Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der Kirche, eine Hochzeitstreppe, soll noch in diesem Jahr, zur Geburtstagsfeier im Juni, wieder auf Vordermann gebracht werden.“ Die Treppe wurde 1912 aus einem dörflichen Aberglauben heraus gebaut“, erklärt Graf. „Brautpaare wollten nicht über den Friedhof zur Kirche gehen.“ Auf hundert Stufen geht es für verliebte Paare seitdem in Klein Wesenberg hinauf ins Eheglück. Eine solche Treppe sei in Schleswig-Holstein einmalig: Öfter kämen auswärtige Ehepaare nur deshalb nach Klein Wesenberg, so der Pastor.

Mit der Feier zum 130. Jubiläum wartet man noch auf sommerliches Wetter: Ein Gottesdienst mit Gemeindefest wird am 14. Juni gefeiert. Eine Geburtstagstafel wird dann aufgebaut, alte Fotos und Dokumente werden ausgestellt, und an der Trave wird ein Entenrennen ausgerichtet.

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