Die Augen zum Himmel: Stormarner beweisen Einfallsreichtum und nutzen die unterschiedlichsten Geräte, um die Sonnenfinsternis zu beobachten

Ahrensburg. Freitagvormittag auf dem Rathausplatz in Ahrensburg. Bestes Frühlingswetter. Viel blauer Himmel ist zu sehen, die Sonne scheint, aus dem Rathaus kommt ein Hochzeitspaar mit seinen Gästen. Harald Goldbeck-Löwe steht bei einem anderen Grüppchen. Es sind Menschen, die sich um drei Teleskope versammelt haben. Goldbeck-Löwe hält sich einen Schweißschirm vor die Augen. Die Idee sei ihm beim Abendessen gekommen, erzählt der 76 Jahre alte pensionierte Lehrer aus Großhansdorf. Die Schutzbrillen für die Sofi, so die niedlich anmutende Abkürzung für die Sonnenfinsternis, dieses Naturspektakel mit Eventcharakter, sind seit drei Wochen ausverkauft. Angeblich in ganz Europa.

Ohne vernünftigen Augenschutz kann Sofi jedoch gefährlich werden, und so sind die Menschen kreativ geworden. „Den alten Schweißschirm hatte ich ja noch“, sagt Harald Goldbeck-Löwe. Eine zerkratzte Schutzscheibe galt es noch zu entfernen, einem Blick in die Sonne stand nichts mehr im Weg.

Auch Egon Grubbe machte die Not erfinderisch. Seine Konstruktion besteht aus Fernglas, Schweißglas und Klebeband. „Man kann alles erkennen“, sagt der 66-Jährige aus Ahrensburg, sichtlich stolz auf seine Schutzbrille Marke Eigenbau. „Natürlich sieht man nicht so gut wie durch die Teleskope“, fügt er hinzu. Die hat Hobby-Astronom Wolfgang Busch aufgebaut, der in der Mitte der immer größeren Menschentraube steht.

Wer keine Schutzbrille ergattern und sich nicht mit Schweißerglas behelfen konnte, der genießt hier das gute Wetter, trifft Bekannte, plaudert und wartet auf einen Blick durch eines der Fernrohre. Und dann hört man ein „Oh“ oder ein „Wow“, und der Drang selbst einen Blick zu ergattern steigt. „Es ist sehr nett“, meint Birte Janßen. Janßen ist Mitarbeiterin in der Stadtbücherei, vor deren Toren sich die Sonnenhungrigen an diesem Tag versammelt haben. „An die letzte Sonnenfinsternis 1999 kann ich mich gar nicht mehr erinnern“, sagt Janßen, schaut nacheinander durch zwei der drei Ferngläser. Dann muss sie wieder zurück an die Arbeit. Die diesjährige Sonnenfinsternis wird sie so schnell sicher nicht mehr vergessen.

Viele Schüler der Stormarnschule waren 1999 noch gar nicht geboren. „Für mich ist das heute das erste Mal“, erzählt Justus aus der Klasse 7 b, „die Sonnenfinsternis ist was Besonderes, und es gibt sie nicht häufig zu sehen. Die nächste ist erst wieder 2081“, sagt Justus, und er weiß genau, was da am Himmel vor sich geht. „Der Mond schiebt sich genau vor die Sonne. Eigentlich ist der Mond ja viel kleiner, aber weil er auch näher an der Erde ist, kann der die Sonne dann ganz verdecken.“ Ist ja auch nicht so schwer. Wie weit ist die Sonne entfernt? „Sehr, sehr weit“, sagt Justus und grinst.

Justus’ Klasse steht auf dem Sportplatz der Schule. Dort sind zur Feier des Tages Schutzbrillen verteilt worden, außerdem darf jeder einen Blick durch ein speziell zur Beobachtung der Sonne geeignetes H-Alpha-Teleskop werfen. Neben dem Teleskop steht Manuela von Werder, Lehrerin für Mathe und Physik und Fachleiterin für Astrophysik. „Wir haben großes Glück“, sagt sie, „dass wir so hervorragend ausgestattet sind.“ Von der fünften Klasse an gebe es an der Stormarnschule Möglichkeiten, sich mit Himmelskörpern zu beschäftigen, sei es in Arbeitsgemeinschaften oder aber am wöchentlichen Beobachtungsabend, zu dem die gesamte Lehrer-, Schüler- und Elternschaft eingeladen ist. Schüler der Oberstufe haben zudem die Möglichkeit, Astrophysik auch als Fach zur Profilerweiterung zu wählen.

„Alle Kinder wollen durch das Teleskop sehen“, erzählt die Lehrerin. Dafür spricht auch die Schlange, die über den halben Sportplatz reicht. Danach dürfen die Schüler noch in die schuleigene Sternwarte. Dort steht ein großes Spiegelteleskop, mit dem sich die Sonne optisch noch näher heranholen lässt. Eine enge Wendeltreppe gilt es noch zu passieren, auf Mitschüler zu warten, und dann kann auch Schülerin Hedda endlich ein Blick auf die Sonnenfinsternis werfen. „Schön“, sagt sie, dann muss sie dem Nächsten Platz machen.

„Wir haben uns auch auf die Sonnenfinsternis vorbereitet“, erzählt Jacob Turnbull. Der 16-Jährige belegt das Fach Astrophysik. Über die Geschichte der Astronomie, über die Keplerschen Gesetzte und über Kinematik – der Lehre von der Bewegung von Körpern im Raum – hat Jacob bereits etwas gelernt. Heute versucht er, die Schutzbrille vor dem Objektiv, das Naturspektakel mit seiner Kamera aufzunehmen. „Klappt nicht so richtig.“

Das klappt dafür bei Wolfgang Busch auf dem Rathausplatz. Der hat ein Okular angefertigt, durch das sich fotografieren lässt. „Morgen sehen wir ja Hunderte Fotos von der Sonnenfinsternis“, beruhigt Busch eine Frau, die die Sonne nicht scharf gestellt bekommt. Sie sagt: „Ja, aber das ist nicht die Ahrensburger Sonnenfinsternis.“