Werden Pläne aus Brüssel wahr, müssen Öko-Landwirte auch für Verunreinigungen durch konventionelle Betriebe haften

Ahrensburg. Auf Biobauern kommen womöglich harte Zeiten zu. Grund ist die geplante Erneuerung der EU-Ökoverordnung, die in den vergangenen drei Tagen auch auf der Agrarministerkonferenz in Bad Homburg diskutiert wurde. „Wenn die neuen Regeln so umgesetzt werden, wie es im Moment im Gespräch ist, dann ist das ein großes Risiko für die meisten Biobetriebe“, sagt der Ahrensburger Bauer Georg Lutz. Der 57-Jährige betreibt seit mehr als 25 Jahren biologische Landwirtschaft auf dem Gut Wulfsdorf. Länger, als es die Ökoverordnung der Europäischen Union überhaupt gibt. Diese bestimmt seit 1991, wie Lebensmittel erzeugt und produziert sein müssen, damit sie als Bioprodukt bezeichnet werden dürfen. Jetzt will die EU-Kommission die Ökoverordnung erneuern und verschärfen.

Mit der Revision der Ökoverordnung will die EU das Vertrauen der Verbraucher in Bioprodukte sichern und einen fairen Wettbewerb gewährleisten. Die Bauern befürchten allerdings, dass Biolandwirtschaft auf diese Weise künftig nicht mehr realisierbar sein wird. So sieht der Reformvorschlag zum Beispiel vor, dass es eine generelle Höchstgrenze an Rückständen von nicht zulässigen Stoffen und Verunreinigungen geben soll. „Bisher ist es so, dass wir eine Prozesskontrolle haben“, sagt Biobauer Lutz. „Damit dokumentieren wir unter anderem, wie viel Platz die Tiere haben und wann sie auf der Weide stehen.“ Auch wird damit nachgewiesen, dass keine chemisch-synthetischen Düngemittel oder Pestizide eingesetzt werden.

Bisher gibt es keine Garantie für rückstandsfreie Bioprodukte

„Wir arbeiten so sauber, wie es geht“, sagt Lutz, betont aber gleichzeitig: „Es gibt jedoch auch Einflüsse, die wir nicht in der Hand haben.“ Damit meint der Biobauer Schadstoffe in der Luft, die beispielsweise durch Autos oder Müllverbrennungsanlagen erzeugt werden. Und er meint das Risiko, dass ab und an auch mal ein bisschen Spritzmittel vom konventionell arbeitenden Nachbarn auf den Bio-Acker gelangen kann – „wenn der zu dicht ran spritzt oder der Wind das Spritzmittel verteilt“. Über diese Umwege können Rückstände, die für Bioprodukte nicht zulässig sind, trotzdem auf die Erzeugnisse gelangen. Bislang müssen Ökobauern nicht dafür haften.

In Zukunft aber vielleicht schon. Die Revision der EU-Ökoverordnung sieht nämlich eine Produktkontrolle vor. „Im Gespräch ist, dass als Grundlage dafür die zulässigen Werte für Babynahrung genommen werden sollen“, sagt Lutz. Damit käme man in Bereiche, die man in Deutschland kaum zuverlässig erreichen könne. „Wir erfüllen das in unserem Betrieb, wir müssen uns da keine Sorgen machen“, sagt der 57-Jährige. Rund um die Ackerflächen des Guts gebe es keine konventionell bewirtschafteten Flächen. Aber insbesondere kleinere Biohöfe könnte das vor große Probleme stellen. Denn in dem Moment, in dem Ökobauern für die Reinheit ihrer Produkte haftbar wären, müssten sie auch ihre sämtlichen Erzeugnisse im Vorfeld untersuchen lassen. „Wir sollen dann plötzlich dafür verantwortlich sein, was andere spritzen oder wir alle an Emissionen verursachen – und auch noch die Kosten tragen“, sagt Lutz. Er hält den Entwurf der neuen Ökoverordnung so für nicht umsetzbar.

Landwirt Georg Lutz: „Wer will da noch Ökobauer werden?“

„Wenn das so käme, wäre das eine Katastrophe. Ich kann mir das gar nicht vorstellen“, sagt Bio-Gärtner Tim Unverhau. Er betreibt den Kleverhof in Elmenhorst und baut auf drei Hektar Land Obst und Gemüse an. „Das wäre doch paradox: wenn die einen spritzen dürften und die anderen die Kosten dafür übernehmen müssten“, so der 50-Jährige. „Wie soll das gehen, vor allem finanziell? Dann müssten sicherlich einige Bio-Landwirte ihren Betrieb aufgeben.“

Die geplante Revision sei der größte Hemmschuh, was die Entwicklung ökologischer Landwirtschaft in Deutschland angehe, betont Biobauer Lutz. „Wer will da noch Ökobauer werden?“ Bio-Landwirte hätten ohnehin mit teils unerwarteten Widrigkeiten zu kämpfen. So kann es passieren, dass im Acker unerwartet Stoffe an die Oberfläche kommen, die noch aus konventioneller Landwirtschaft stammen und jahrelang im Boden schlummerten. „Ich kenne jemanden, der musste deshalb nach 30Jahren plötzlich seine gesamte Gurkenernte wegwerfen“, sagt Lutz. Auch die Pachtpreise für Ackerland sind stark gestiegen. Der Grund: die hohe Nachfrage wegen des Maisanbaus für Biogasanlagen. „Für Bio-Landwirte sind die Pachtpreise dann teils sogar höher als der Ernteertrag“, sagt Lutz.

Dabei steigt die Nachfrage nach Bioprodukten kontinuierlich an. Deutschland ist der größte Markt dafür in Europa, 2013 setzte die Branche gut 7,5 Milliarden Euro um. EU-weit weist die Ökobranche laut EU-Agrarkommissar Phil Hogan eine Wachstumsrate zwischen sechs und neun Prozent auf, die aber vor allem durch Einfuhren in die EU befriedigt würde. Die Agrarminister in Bad Homburg haben sich einstimmig gegen eine Revision der EU-Öko-Verordnung ausgesprochen. Die Verunsicherung der Branche müsse beendet werden, so die Vorsitzende der Konferenz, die hessische Agrarministerin Priska Hinz (Grüne). Die EU-Staaten wollen sich bis zum Mai auf eine gemeinsame Haltung zum Thema einigen.