Nur Angeklagter und sein Kumpel sind in Ahrensburg erscheinen

Ahrensburg. Es ist kurz nach halb eins im Amtsgericht Ahrensburg, als der Angeklagte Stefan W. (Namen geändert) mit seinem Freund, dem Zeugen Maik B., vor Saal 1 wartet. Beide sind groß und kräftig gebaut. Stefan W. trägt schwarze Kleidung, hat ein Tattoo am Hals und trägt einen Irokesenkamm auf Glatze. Beide unterhalten sich über banale Dinge, zum Beispiel darüber, wie die letzte Tour mit dem Motorrad war. „Was meinst du“, fragt B. seinen Freund, „wird das heute ein Ende finden?“ W. zuckt mit den Schultern. Dann sagt er: „Ich glaube nicht.“ Es geht um gefährliche Körperverletzung.

Es geht um einen Vorfall am 23. Februar 2013. Der 43-jährige Stefan W. aus Hamburg soll auf offener Straße auf sein Opfer eingetreten haben: ins Gesicht, auf den Hinterkopf. Das Problem fürs Gericht: Außer dem Angeklagten und seinem Freund ist keiner da. Auch und insbesondere nicht das Opfer.

Nun sitzen die beiden draußen und warten. Vor einer halben Stunde sind sie schon mal in den Saal gerufen worden, in den Saal 1 des Ahrensburger Amtsgerichts . Richter Paul Holtkamp schaut sich fragend um. „Herr D. ist eigentlich der interessanteste Zeuge. Warum ist er nicht vor Ort?“, fragt er. Herr D. soll viel mitbekommen haben von dem Vorfall vor mehr als zwei Jahren. Holtkamp versucht, D. und die übrigen vier Zeugen anzurufen und erreicht, bis auf den Vater des Zeugen O., niemanden. „Sein Vater meint er sei auf den Weg. Na gut, bekommt er von zu Hause Ärger, dass er zu spät kommt“, sagt Holtkamp schmunzelnd.

Nachdem die Anklage verlesen worden ist, klingelt das Telefon, und der Vater des Zeugen O. ist noch einmal am Apparat. „Ach, der Junge schreibt eine Klausur“, sagt Holtkamp durch das Telefon, „dann ziehen Sie ihm die Ohren lang, dass er hier nicht erschienen ist – aber nicht im wahrsten Sinne des Wortes.“ Nachdem er aufgelegt hat, schüttelt er den Kopf und versucht, mit dem Verteidiger Stefan Ws. einen neuen Termin auszumachen.

Es folgt ein Hin und Her, doch einig können sie sich am Ende nicht werden. „Wir befinden uns bereits im dritten Anlauf, und ich glaube nicht, dass wir alle Beteiligten und Zeugen noch an einen Tisch bekommen“, sagt der Richter, „außerdem war der wichtigste Zeuge nicht vor Ort.“ Die Konsequenz: Das Verfahren wird eingestellt.