Umsatzabsturz. Am 30. April ist Schluss. Ahrensburg verliert eine Institution, die das Kulturleben bereichert hat

Ahrensburg. Es sind zwiespältige Gefühle, die Helga Todtmann und Angelika Möller zurzeit bewegen. Die Kunden geben sich in der von den beiden betriebenen Buchhandlung Münnich in der Hagener Allee 6 die Klinke in die Hand. Die meisten kaufen nicht nur, sondern sie wollen auch reden. Auf den ersten Blick also ein florierendes Geschäft mit intensivem Austausch. Doch der rege Betrieb ist von Wehmut begleitet. Seit bekannt ist, dass die 1946 gegründete Buchhandlung am 30. April schließen wird, kommen viele Stammkunden spontan vorbei, um ihre Sympathie zu bekunden und den drohenden Verlust zu beklagen.

Helga Todtmann und Angelika Möller haben das Traditionsgeschäft 2006 übernommen – zu einer Zeit also, als die Krise des stationären Buchhandels schon begonnen hatte. Seither kämpften die beiden tapfer gegen die Lesemüdigkeit des jüngeren Publikums, gegen den Boom der digitalen Medien und gegen die übermächtige Online-Konkurrenz des internationalen Versandhandels.

Helga Todtmann und Angelika Möller setzten auf ein engagiertes Programm und auf persönlichen Kontakt zu Kunden, die ihrem Urteil vertrauen. Doch auf Dauer war der Umsatzrückgang nicht aufzuhalten. „2013 und 2014 waren besonders schlechte Jahre. Wir haben inzwischen nur noch etwa ein Fünftel unseres Jahresumsatzes von 2006. Als diesmal auch das Weihnachtsgeschäft sehr enttäuschend war, haben wir entschieden, bald Schluss zu machen“, sagt Angelika Möller.

Münnich ist die älteste Buchhandlung Ahrensburgs

Mit Münnich schließt eine Institution, nämlich die älteste Buchhandlung der Stadt, die viele Ahrensburger von klein auf kennen. Helga Todtmann und Angelika Möller sind die vierten Inhaber. Die Übernahme vom Vorgänger, bei dem sie zuvor als Angestellte gearbeitet hatten, war für beide die Erfüllung „des Herzenswunsches“, ein Sortiment nach ihrem Gusto gestalten zu können. Nicht mit Stapelware, sondern mit ausgewählten Büchern, die als Individuen präsentiert werden. Ein bisschen wie in einer gut sortierten persönlichen Bibliothek. „Wir wollten neugierig machen auf lohnenswerte Bücher“, sagt Helga Todtmann. Gewissermaßen eine Verführung der Leser, die bei Münnich mit einer großzügigen Präsentation von Romanen und Sachbüchern schon im Eingangsbereich beginnt, bis ins gemütliche Eck mit Sofa in der Kinderabteilung führt und mit anregend an der Kasse präsentierten, zum Spontankauf motivierenden Titeln endet.

„Wichtig in der Auswahl unseres Sortiments sind Vielfalt und Qualität“, sagt Helga Todtmann. Persönliche Überzeugungen seien wichtig, aber nicht das Maß aller Dinge. Angelika Möller: „Wir wollten unterschiedlichen Menschen vieles bieten – Kindern, politisch und literarisch interessierten Lesern, Kunstfreunden. Dafür mussten wir einordnen können, was in der Buchhandlung stehen sollte, um unseren Kunden ein gutes und breites Angebot zu machen.“

Bekannte Autoren kamen zu Lesungen

Wie gut das gelungen ist, können sie an ihren Stammkunden ablesen. Zunehmend schwieriger wurde es jedoch mit der Laufkundschaft. „Das Umfeld ist schwieriger geworden, was sich auch am Leerstand von Geschäften in der Innenstadt ablesen lässt“, sagt Todtmann. Außerdem fehle gerade in der mittleren Generation das Interesse, sich mit Büchern zu beschäftigen. Todtmann: „Die Menschheit verdaddelt viel Zeit im Internet.“

Für das Ahrensburger Kulturleben ist das Ende von Münnich ein großer Verlust, nicht zuletzt auch wegen der Lesungen von Autoren wie Edgar Hilsenrath, Harry Rowohlt oder zuletzt Klaus Kordon. Manchmal drängelten sich bis zu 90 Zuschauer in der Buchhandlung. Fehlen wird auch der Ort, an dem Großeltern mit ihren Enkeln in Ruhe Kinderbücher entdecken oder Erwachsene stöbern und sich über Bücher austauschen konnten.

Zwischendurch wird das Gespräch immer wieder von Kunden unterbrochen, die ihr Bedauern ausdrücken. Die Ahrensburgerin Ute Rehren zum Beispiel sagt, dass sie und ihre Kinder sich die Stadt nicht ohne Münnich vorstellen könnten. „Heutzutage zählt für viele Menschen nur noch Eventkultur. Für mich war es immer ein Event, bei Ihnen einzukaufen.“ Der aktuelle Zuspruch ihrer Kunden tut den beiden Buchhändlerinnen sichtlich gut. „Wir haben offenbar vieles richtig gemacht“, sagt Möller, die im vergangenen Jahr 56 Bücher gelesen hat – umfangreiche Lektüre, auch von Rezensionen, ist Voraussetzung dafür, dass sie weiß, wovon sie spricht, wenn sie Literatur empfiehlt.

„Wir sind Old School“, sagt Möller, 52. Sie hofft, einen Job in einem Verlag zu finden, Helga Todtmann, 62, wird die Branche wechseln. Auf etwas freuen sich beide: Mehr Zeit zum Lesen zu haben. Denn, so sagt Möller und zitiert Susan Sontag: „Literatur ist Freiheit.“