In Reinbek hat sich die neue Künstlergruppe GegenwART 7 gegründet. Die Maler stellen gerade im Schloss aus

Reinbek. Der Siebte in der Runde fehlt. Für kreative Köpfe ist das kein Problem. Wofür steht schließlich die Schaufensterpuppe da in der Ecke. Und schon ist der Typ mit dem coolen Gesichtsausdruck und einer ebensolchen Badehose ein perfekter Ersatz für den im Urlaub weilenden Johannes Märker. „Geht doch“, sagt Hausherrin Ricky Winter, die den Kunststoffgesellen in ihrem Atelier beherbergt. Der coole Typ ist von seiner Schaufenster-Bestimmung her eigentlich nur pure Dekoration und entfaltet doch unbestreitbar eine inspirierende Wirkung. Und schon ist das Gruppenfoto der neuen Reinbeker Künstlergruppe gerettet: Sie sind zu siebt. Und darauf kommt es an.

GegenwaART7 haben sich die Maler genannt, die Spaß miteinander haben, sich gegenseitig anregen wollen und zugleich mit hohem künstlerischem Anspruch und hoher Intensität ans Werk gehen. „Die Gegenwart. Das kann jetzt sein, diese Stunde oder eine Woche. Oder nur der Bruchteil einer Sekunde“, sagt Heinrich Wollitz. Der spontane philosophische Ausflug des gelernten Werbegrafikers zeigt, dass der Titel bewusst gewählt ist. Die Künstler wollen ihre Zeit nutzen. Im Jetzt leben, alles aufsaugen und dann in Farbe und Form ganz individuell aufs Papier oder Leinwand bringen. Und das vehement, leidenschaftlich.

„Manchmal lege ich alles auf den Boden und haue so richtig drauf“, sagt Ricky Winter. Vorher muss die energiegeladene Künstlerin allerdings Platz vor der Staffelei schaffen. Ihr Atelier unter dem Dach einer schönen, alten Reinbeker Villa ist vollgestopft mit Tuben und Tinkturen, Kästen mit Farbpigmenten, Pinseln, Quasten, Tapetenrollern, Spachtelmasse, Sand, Papier und Zeichenkohle. Alles, was sie für ihre Mischtechniken braucht. „Wenn ich mich ärgere, geht das besonders gut“, sagt die Künstlerin, die von Haus aus Ökotrophologin ist. „Dann kann ich die ganze Wut rauslassen und nehme dafür extra große Pinsel.“

„Und dann fließt das Acryl auf der Leinwand“, stimmt Günther Helm mit ein, der am Lerchenfeld in Hamburg Kunst studiert hat. „Malerei befreit. Das ist wie Medizin.“ Je öfter und je länger verabreicht, desto besser, ließe sich hinzufügen. Die malenden Sieben haben das Heilmittel schon vor Jahrzehnten für sich entdeckt und waren außerdem alle Mitglieder der Kunstgemeinschaft Sachsenwald. So wie Jens Kappenberg. Er ist Physiker. Aber ohne seine fantastischen Landschaften, die der Naturwissenschaftler beim Aquarellieren schöpferisch ersinnt, könnte er nicht sein. „Die Kunstgemeinschaft wurde in den 60er-Jahren gegründet. Ich war seit 1973 dabei“, sagt er. Am Anfang habe man sich öfter getroffen. Jens Kappenberg: „Einmal haben wir sogar gemalt, während ein Musiker Cello gespielt hat. Aber zum Schluss waren es nur noch drei, vier Termine im Jahr. Und zusammengearbeitet haben wir nie.“ Das soll sich jetzt ändern.

Ein Anfang ist gemacht. Das Ergebnis: eine erste Gemeinschaftsausstellung im Schloss Reinbek. Die Eröffnung war ein Erfolg. „Rund 250 Besucher sind gekommen“, sagt Ute Raedle, die an der Reinbeker Volkshochschule Kunst unterrichtet und von Ricky Winter mit ins Boot – sprich: in die neue Künstlergruppe – geholt wurde.

Sechster im Bunde ist Aro Mann. „Nicht mit der berühmten Schriftstellerfamilie verwandt oder verschwägert“, sagt der Große mit den weißen Haaren. Schon deswegen nicht, weil das sein Künstlername ist. Auch Ricky Winter hat in die Trickkiste gegriffen und das Hildegard aus ihrem Namen verbannt. „Hildegard, sagen Sie jetzt nichts“, kommt gleich der Loriot-Zuruf aus der munteren Runde. Alle lachen.

Die Kunstgemeinschaft, die das Reinbeker Ehepaar Bärbel und Normann Müller-Rousseau gegründet und geleitet hatte, existiert nicht mehr. Die Sieben haben dem Verschwinden nicht einfach zugeschaut, sondern etwas Neues geschaffen. „Das Ehepaar ist schon so um die 80“, sagt Jens Kappenberg. „Da ist es verständlich, dass sie aufhören wollten.“ 80 Jahre? Für Günther Helm ist das ein Grund, so richtig loszulegen. „Ich habe bald eine Einzelausstellung im Schloss“, sagt der Reinbeker. „Zu meinem 80. Geburtstag.“

Ein anderer runder Geburtstag beschäftigt die komplette GegenwaART7. Die Gruppe plant schon ihre zweite Ausstellung, in Friedrichsruh – zum 200. von Otto von Bismarck. Dem eisernen Kanzler werden Beharrlichkeit, Fleiß, Zeitsinn und Selbstentfaltungsdrang attestiert. Das passt für die energiegeladenen Sieben.