Nach dem Aus für die sicher geglaubte Ortsumgehung fragen sich die Menschen, wie lange sie noch warten sollen

Hammoor. Hätte Jasmin Marinkovic vor zehn Jahren gewusst, dass die Pläne für die Umgehungsstraße vielleicht nie umgesetzt werden – „wir hätten unser Haus hier niemals gebaut“, sagt die 38-Jährige. „Damals wurden mein Mann und ich beim Verkaufsgespräch vom Bauträger extra darauf hingewiesen, dass die Umgehungsstraße in der Planung sei.“ Es hieß, in den nächsten drei bis fünf Jahren solle mit dem Bau begonnen werden. Die Familie lebt direkt an der viel befahrenen Hauptstraße in Hammoor.

Jetzt ist das Entsetzen groß im Dorf: Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) hatte am Freitag verkündet, die geplante Ortsumgehung werde so nicht gebaut (wir berichteten). Es müsse neu geplant werden, das könne bis zu zehn Jahre dauern.

Dabei donnern fast täglich Hunderte Lastwagen durch das Dorf, die meisten auf dem Weg ins Gewerbegebiet nach Bargteheide, wo auch das Aldi-Großlager steht. Im Berufsverkehr sind es lange Autokolonnen, die den Ort belasten. Die Landesstraße, die durch Hammoor führt, ist eine wichtige Verkehrsader in der Region.

„Wie kann es denn plötzlich zu so einer Wendung kommen?“, fragt sich Milan Marinkovic. „Wer hat einen solchen Einfluss auf die Politik, dass diese Pläne auf einmal komplett gekippt werden?“

Marinkovic beklagt auch, dass Autofahrer sich auf der Hauptstraße nicht an die Geschwindigkeitsbegrenzung von Tempo 50 hielten. Deshalb passierten auch immer wieder Unfälle: In der unmittelbaren Nachbarschaft seien Autofahrer schon gegen eine Mauer, einen Zaun und eine Hecke geschleudert. Sogar das Postauto sei angefahren worden, und zwar von der Polizei: „Der Briefträger war gerade dabei, links in die Hofeinfahrt abzubiegen, als ein VW-Bus der Polizei zum Überholvorgang ansetzte. Das ist doch verrückt“, sagt Jasmin Marinkovic.

Auch Kurt Hinst, der ebenfalls an der Hauptstraße wohnt und dort eine Firma für Sondermaschinenbau betreibt, hat schon solche Erfahrungen gemacht. „Wir hatten hier schon mehrere Unfälle mit Gabelstaplern. Wir haben nämlich auf beiden Seiten der Straße Firmengebäude.“ Seitdem dürfen die Gabelstaplerfahrer die Straße nur noch in Begleitung von zwei Männern überqueren, die mit Fahnen bestückt den Verkehr aufhalten. Ein gefährliches Unterfangen. Hinst: „Gegen die Lärmbelästigung habe ich einen 60.000 Euro teuren Schallschutzzaun zwischen Wohnhaus und Straße gebaut.“

Den hätte Jasmin Marinkovic vermutlich auch gern. „Der ständige Lärm ist auch für uns ein großes Problem“, sagt sie. Ihre früheren Nachbarn sind deshalb sogar weggezogen: „Jedes Mal, wenn wir die Marinkovics in Hammoor besuchen, sind wir gleichzeitig froh, dass wir hier nicht mehr leben müssen“, sagt Kathrin Wolke. Die 45-Jährige wohnt mittlerweile mit ihrer Familie in Hamburg-Sasel. „Ursprünglich waren wir aufs Land gezogen, um Ruhe zu haben. Die haben wir jetzt merkwürdigerweise in der Großstadt endlich gefunden.“

In dem früheren Haus von Kathrin Wolke leben jetzt Yvonne und Frank Giese mit ihrer kleinen fünf Monate alten Tochter Johanna. „Wir haben den Lärm hier auch unterschätzt“, sagt die 33 Jahre alte Mutter. Teilweise seien die Autofahrer auch sehr aggressiv: „Wenn zum Beispiel ein Wagen auf der Straße parkt, dann hupen die, auch nachts, wenn alle schlafen. Weil sie dann abbremsen müssen.“

Das größere Problem sei allerdings ein anderes. „Für Kinder ist die Straße wirklich lebensgefährlich“, sagt Giese. Aber auch Erwachsene müssten sich in Acht nehmen: „Teilweise hat der Gehweg ja nur Kinderwagenbreite. Wenn dann zwei entgegenkommende Lastwagen aneinander vorbeifahren, entsteht ein richtiger Sog.“ Da müsse man den Kinderwagen schon ordentlich festhalten, sagt Yvonne Giese.

Ihr Mann ist froh, dass seiner Familie bisher nichts passiert ist. Denn auch Yvonne Giese wurde in ihrem Auto angefahren – im siebten Monat schwanger. „Das war völlig verrückt“, sagt sie. „Ich hatte den Blinker rechts gesetzt und die Geschwindigkeit verlangsamt. Dann ist mir von hinten einer draufgeknallt. Der Mann stieg aus, fragte aber nicht, wie es mir gehe, sondern herrschte mich an, was mir einfalle, einfach abzubremsen.“ „Entschuldigung, ich wohne hier“, habe sie daraufhin zu dem Mann gesagt.

Der Sachschaden war hoch: 8000 Euro an Yvonne Gieses Auto, Totalschaden beim Unfallverursacher. „Da kann man sich vorstellen, wie schnell der war“, sagt Giese. Auch sie und ihr Mann spielten bereits mit dem Gedanken, Hammoor für immer zu verlassen.